Alle Artikel mit dem Schlagwort: Euthanasie

Restaurierung des Grabsteins von Hanns Josef Geisel

Hanns Josef Geisel (geb. 8. Februar 1904, Bocholt, gest. 8. September 1940, Amelsbüren) stamm­te aus einer jüdi­schen Familie, die zunächst in Bocholt eine mecha­ni­sche Weberei betrieb. Später besaß der Vater ein Hutgeschäft in Dortmund. Hanns Geisel war bei unein­ge­schränk­ter geis­ti­ger Leistungsfähigkeit kör­per­lich schwerst behin­dert. Zwischen dem 6. Juli 1937 und dem 6. September 1939 wur­de er im St. Rochus-Hospital in Telgte betreut. Zu die­sem Zeitpunkt war sein Vater bereits ver­stor­ben und sei­ne Mutter berei­te­te ihre Emigration nach London vor. Ein Bruder der Mutter über­nahm die Pflegschaft und küm­mer­te sich lie­be­voll um den Neffen.
Als Teile des St. Rochus-Hospitals in ein Lazarett der Wehrmacht umge­wan­delt wur­den, muss­te Hanns Geisel in das von den Alexianerbrüdern geführ­te Haus Kannen in Amelsbüren umzie­hen. Im September 1940 soll­te er auf Befehl des Reichsinnenministeriums des Inneren gemein­sam mit fünf ande­ren jüdi­schen Patienten aus dem St. Rochus-Hospital und aus Haus Kannen im Rahmen der Aktion T4 über Zwischenstationen in eine Tötungsanstalt ver­legt wer­den, wo die Patienten in den Gaskammern qual­voll ermor­det wur­den. Hanns Geisel ent­ging die­sem Schicksal nur, weil er weni­ge Tage vor dem Transport an einer Lungenentzündung eines natür­li­chen Todes starb.

Hanns Josef Geisel GrabsteinHanns Josef Geisel Grabstein
Er wur­de auf dem Jüdischen Teil des Hauptfriedhofs Dortmund am Rennweg begra­ben. Sein Grab ist bis heu­te erhal­ten (D 002 b 43), befand sich aller­dings in einem schlech­ten Zustand. Im Herbst 2022 wur­de auf Veranlassung des Vereins Erinnerung und Mahnung das Grab her­ge­rich­tet und der Grabstein restau­riert, um auch Hanns Josef Geisel ein wür­de­vol­les Gedächtnis zu bewahren.

Stolpersteinverlegung in Telgte 2019

Der Einladung des Vereins »Erinnerung und Mahnung Telgte« zur Stolpersteinverlegung am 9.02.2019 war eine große Zahl von Interessierten gefolgt.

In sei­ner Begrüßung im Rathausfoyer wies Bürgermeister Wolfgang Pieper dar­auf hin, wie wich­tig es ange­sichts aktu­el­ler Tendenzen zu Ausgrenzung und Diskriminierung ist, die Erinnerung wach­zu­hal­ten und im wahrs­ten Sinne dar­über zu »stol­pern«. Frau Dr. Elkeles als Vereinsvorsitzende dank­te vor allem den groß­zü­gi­gen Spendern, ohne die die­se Aktion nicht mög­lich gewe­sen wäre. Es folg­te ein Vortrag von Professor Dr. Peter Kröner, der den engen ideo­lo­gi­schen Zusammenhang zwi­schen Krankenmorden und Judenvernichtung belegte.

Direkt im Anschluss wur­den durch den Künstler Gunter Demnig  die ers­ten bei­den Stolpersteine für Bernhard Möller und Bernhard Lütke Grachtrup ver­legt. Die letz­te frei gewähl­te Wohnung lag für bei­de im ehe­ma­li­gen Kirchspiel. Daher wur­den die Steine an zen­tra­ler Stelle der Stadt direkt vor dem Rathaus gesetzt.

Zur nächs­ten Stelle in der Dr. Josef Koch Straße 4 muss­ten die Teilnehmer nur weni­ge Meter zurück­le­gen. Hier leb­te Anton Erich Sauerland. Der vier­te Stein in der Innenstadt für Oskar Rolf wur­de im Anschluss vor dem Eingang zur Tiefgarage der Volksbank in der Ritterstrasse 64, dem ehe­ma­li­gen Standort des »Langen Jammers«, ver­legt. Dort lie­gen schon zwei Steine für Josef und Maria Unger, die als soge­nann­te »Zigeuner« ver­folgt und ermor­det wurden.

An den ein­zel­nen Stellen ver­las Frau Dr. Dorothea Beck Kurzbiographien der Opfer. Ein Gebetstext, gespro­chen durch Arnold Michels, gab den Anwesenden Gelegenheit, ihre Trauer und inne­re Bewegtheit in Worte zu fas­sen. Eine durch Gertrud Stümper auf jedem Stein nie­der­ge­leg­te wei­ße Rose ver­lieh der Szene eine erns­te Würde. Musikalisch wur­den die Verlegungen von kur­zen Sätzen für Frauenterzett umrahmt (Iris Becker, Barbara Elkeles, Claudia Zumbrock).

Nach einer klei­nen Pause, in der sich die Teilnehmer in der Cafeteria des St. Rochus-Hospitals mit einem Kaffee auf­wär­men konn­ten, wur­den vor der Kapelle des St. Rochus-Hospitals Stolpersteine für die ehe­ma­li­gen jüdi­schen Patientinnen Gladys Strauss und Sophia Serphos gesetzt. Die Gestaltung hat­ten die dor­ti­gen Verantwortlichen und Mitarbeiter über­nom­men. Einer Begrüßung durch den Ärztlichen Direktor, Professor Dr. med. Matthias Rothermundt, folg­ten Kurzbiographien der Opfer, ver­le­sen durch Mitarbeiterinnen des Langzeitbereichs. Die städ­ti­sche Musikschule steu­er­te Klezmer-Musik bei, durch den Krankenhausseelsorger Peter von Elst wur­de ein Bußpsalm in der Übersetzung von Martin Buber verlesen.

Nach der Veranstaltung waren vie­le Teilnehmer tief bewegt und ergrif­fen. Unsere Stadt besitzt durch die neu­en Stolpersteine wei­te­re Erinnerungsorte, die das Gedenken an die Opfer und das Ihnen zuge­füg­te Unrecht wach halten.

Zum Schluss ein paar Worte in eigener Sache:

Der Verein »Erinnerung und Mahnung Telgte« hat sich die Pflege die­ser Erinnerungskultur zur Aufgabe gesetzt. Um die­se Aufgaben auch wei­ter­hin erfül­len zu kön­nen, sind wir auf Ihre Unterstützung ange­wie­sen. Das kann in Form einer akti­ven Mitarbeit gesche­hen. Wir freu­en wir uns aber auch, wenn Sie uns ein­fach durch Ihren Beitritt und damit durch Ihre Mitgliedsbeiträge unterstützen.
Dr. Barbara Elkeles

Bildergalerie zur Verlegung der Stolpersteine am 9. Februar in Telgte.

Fotos: Kordula Rüter, letz­tes Foto in der Reihe: WN Telgte


Einladung zur Stolpersteinverlegung

In den ver­gan­ge­nen Jahrzehnten wur­de in Telgte vor allem durch das Engagement von Ludwig Rüter das Schicksal ehe­ma­li­ger jüdi­scher Mitbürger auf­ge­ar­bei­tet. Vor den ehe­ma­li­gen Wohnungen wur­den im Jahr 2004 Stolpersteine ver­legt. Aber auch geis­tig behin­der­te und psy­chisch kran­ke Menschen wur­den Opfer der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rassenpolitik. Ihr Schicksal ist in der 2017 erschie­ne­nen Neuauflage des „Gedenkbuches für Telgter Opfer des Nationalsozialismus“ dokumentiert.

Darunter war Bernhard Möller, der an dem soge­nann­ten Down-Syndrom litt. Er leb­te mit sei­ner Familie in der Bauernschaft Schwienhorst. Im Jahr 1940 kam er als Zehnjähriger in die Heil- und Pflegeanstalt Niedermarsberg in Westfalen, am 17.10.1943 wur­de er nach meh­re­ren „Verlegungen“ in der soge­nann­ten Kinderfachabteilung Meseritz-Oberwalde in der Provinz Posen ermor­det. Der Familie wur­de als Todesursache „Herzmuskelschwäche“ mit­ge­teilt. Auch der 1916 in Telgte gebo­re­ne Oskar Rolf, der an einer geis­ti­gen Behinderung und epi­lep­ti­schen Anfälleln litt, wur­de Opfer der Krankenmorde: Über meh­re­re Zwischenstationen wur­de er schließ­lich in die Anstalt Hadamar in Hessen ver­legt, wo er am 30.10.1944 umge­bracht wur­de. Das Schicksal der wei­te­ren Opfer kann im Gedenkbuch und auf die­ser Website des Vereins nach­ge­le­sen werden.

Auch die­ser ehe­ma­li­gen Telgter soll nun durch Stolpersteine gedacht wer­den. Die Steine wird der Künstler Gunter Demnig am 9. Februar 2019 ver­le­gen. Um 11.30 begin­nen wir mit einer Einführungsveranstaltung im Rathausfoyer. Hier wird Herr Prof. Dr. Peter Kröner in einem kur­zen Vortrag die ideo­lo­gi­schen Zusammenhänge zwi­schen Krankenmorden und Judenvernichtung erklä­ren. Anschließend wer­den die vier Steine in der Innenstadt ver­legt. Gegen 13.15 Uhr fol­gen am St. Rochus-Hospital zwei wei­te­re Verlegungen für die ehe­ma­li­gen jüdi­schen Patientinnen Gladys Strauss und Sophia Serphos.

Zu der Verlegung der Stolpersteine am 09.02.2019 lädt der Verein herz­lich ein. Wer einen Stolperstein – Preis 120 Euro – stif­ten oder mit einer Spende zu der Aktion bei­tra­gen möch­te, ist dazu herz­lich eingeladen.

Opfer der Euthanasie

Die Nazis ver­folg­ten und ermor­de­ten Kranke und Menschen mit Behinderung eben­so wie Juden und ande­re Gruppen. Mit den Forschungen der »Rassenhygieniker« wur­de ab Herbst 1939 der als »Euthanasie« bezeich­ne­te Mord an den Menschen gerecht­fer­tigt, deren Leben nach NS-Ideologie »nicht lebens­wert« war.

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Familie Löwenstein

Julie Löwenstein

Julie Löwenstein wur­de am 24.12.1897 in Rietberg gebo­ren. Sie war nicht nur Jüdin, son­dern auch psy­chisch krank und befand sich bereits zur Zeit des Novemberpogroms 1938 in der Heil- und Pflegeanstalt St. Rochus in Telgte. Da nach Ansicht des Reichsinnenministeriums eine gemein­sa­me Unterbringung von Juden und Nichtjuden in Pflegeanstalten unzu­mut­bar sei, wur­den die jüdi­schen Geisteskranken zunächst in eine Zwischenanstalt verlegt.

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Anton Erich Sauerland

Anton Erich Sauerland wur­de am 29.01.1920 in Telgte gebo­ren. Er wog bei der Geburt nur zwei Pfund, und bis zum Alter von zwei Jahren wuss­te man nicht, ob er durch­kom­men wür­de. Er lern­te erst mit drei Jahren spre­chen und mit fünf Jahren lau­fen. Der Telgter Arzt Dr. Koch emp­fahl 1928, dass der Junge eine Hilfsschule besu­chen soll­te, um fürs Leben eini­ge Kenntnisse mitzunehmen.

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Bernhard Lütke Grachtrup

Bernhard Lütke Grachtrup wur­de am 28.03.1887 in Telgte gebo­ren. Er leb­te elf Jahre bei sei­ner Familie. Wegen sei­ner geis­ti­gen Behinderung kam er 1898 in die Heilanstalt Niedermarsberg, wo er in die Anstaltsschule ein­ge­wie­sen wurde.
Die Schulakte für die Jahre 1901 und 1902 zeigt, dass er dem Unterricht nicht fol­gen konn­te, wes­we­gen er 1903 aus der Schule ent­las­sen wur­de. Anschließend kam er bis 1931 nach Ensen bei Köln in eine Einrichtung der Alexianer.

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Sophia Serphos

Sophia Serphos kam am 12.06.1891 in Neuenhaus in der Grafschaft Bentheim zur Welt, besaß wie ihr Vater die nie­der­län­di­sche Staatsbürgerschaft und war Jüdin. Da sie geis­tig behin­dert war, kam sie nach dem Tod des Vaters 1912 und dem der Mutter 1924 am 30.10.1924 in das St. Rochus-Hospital.

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