Rahel Winkels und ihre Kinder Manuel (9 Jahre) und Letizia (7 Jahre) waren gerade dabei, die Stolpersteine für Siegfried und Henriette Mildenberg und ihren Pflegesohn Karl-Heinz Steinhardt zu putzen, die vor der ehemaligen Synagoge (Königstraße 43) verlegt sind. Dabei trafen sie zufällig mit Barbara Elkeles, der Vorsitzenden des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte, zusammen. Die Familie übernimmt die Pflege der Stolpersteine einmal jährlich aus eigener Motivation. Sie möchte damit einen Beitrag zum Gedenken an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft leisten. In diesem Jahr hatte Rahel Winkels bewusst den 8. Mai dafür ausgewählt, um mit ihren Kindern an das Kriegsende zu erinnern.
Vielleicht findet diese großartige private Initiative ja Nachfolger!
von Anja Kreysing Wir freuen uns sehr, dass uns für das Projekt „Jüdisches Leben in Telgte. Gestaltung von Erinnerung am Maria-Sibylla-Merian Gymnasium“ von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Münster der Dr. Julius Voos-Preis 2024 verliehen wurde. Die Preisverleihung fand am 10.03.2025 in einem Festakt zur Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“ im Festsaal des historischen Rathauses Münster statt. Neben uns wurde auch das Mariengymnasium Münster für das Theaterstück „Briefe nach Ewigheim“ über die grauenvolle „T4-Aktion“ des Nationalsozialistischen Regimes ausgezeichnet. Sieben Schülerinnen zeigten im Festsaal beeindruckende Ausschnitte ihres bewegenden Theaterprojektes. Das Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium Telgte präsentierte ausgewählte künstlerische Arbeiten aus dem online-Projekt, Eindrücke der Schülerinnen und Schüler von der Reise nach Buchenwald sowie berührende Lyrik der mit nur 18 Jahren in Lagerhaft umgekommenen Lyrikerin Selma Merbaum. Das Projekt „Jüdisches Leben in Telgte. Gestaltung von Erinnerung am Maria-Sibylla-Merian Gymnasium“ entwickelt sich ausgehend von der Restauration der alten Synagoge immer weiter zu einer schulischen Plattform für eine neue, interdisziplinäre und zeitgemäße Erinnerungskultur. Die Beschäftigung mit dem jüdischen Leben in Telgte im Rahmen dieses Projektes ist eine künstlerische wie wissenschaftlich-propädeutische, subjektive und emphatische Auseinandersetzung mit dem in Nazi-Deutschland so brutal ausgelöschten jüdischen Leben am eigenen Wohnort.
Wanderausstellung imSt. Rochus-Hospital Telgte Am 12. März 2025 wurde die Wanderausstellung „Finding Ivy. Ein lebenswertes Leben“ des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim (AT) feierlich im St. Rochus-Hospital Telgte eröffnet. Bis zum 09. April 2025 luden die Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik gemeinsam mit dem Verein Erinnerung und Mahnung Telgte e.V. alle interessierten Bürgerinnen und Bürger ein, die Ausstellung im Foyer vor der Krankenhauskirche zu besuchen und sich mit dem Schicksal von in Großbritannien geborenen Menschen auseinanderzusetzen, die während der nationalsozialistischen „Aktion T4“ ermordet wurden. Auf beunruhigende Darstellungen wird in der Ausstellung bewusst verzichtet. Vielmehr werden die individuellen Lebensgeschichten der zu Opfern gemachten Menschen beleuchtet – unter anderem auch die von Gladys Strauss, einer jungen jüdischen Frau, die mehr als zwei Jahre lang wegen einer Schizophrenie im St. Rochus-Hospital behandelt wurde.
v. l. Wolfgang Pieper (Bürgermeister), Prof. Dr. Mathias Rothermund (Ärztlicher Direktor SRT), Dr. Barbara Elkeles (Verein Erinnerung und Mahnung), Peter van Elst (Seelsorger SRT, Matthias Schulte (Pflegedirektor SRT), Daniel Frese (Geschäftsführer SRT)
Eröffnung mit geladenen Gästen Zur Eröffnungsveranstaltung in der Kirche des St. Rochus-Hospitals kamen neben Mitarbeitenden, Patientinnen und Patienten sowie Nachbarinnen und Nachbarn der Klinik auch geladene Gäste aus Politik, Kirche und Gesundheitswesen. Unter ihnen befand sich auch Bürgermeister Wolfgang Pieper.
Der Ärztliche Direktor des St. Rochus-Hospitals, Prof. Dr. Matthias Rothermundt, verband in seiner Begrüßung den medizinischen Auftrag des Hauses mit der historischen Verantwortung: Er erinnerte daran, dass ein Krankenhaus „nicht nur ein Ort des Heilens – sondern auch ein Ort der Verantwortung“ sei und betonte die Wichtigkeit, „an das Leid zu erinnern, das an Menschen wie Gladys Strauss verübt wurde.“ „Nur so“, fügte er hinzu, „lernen wir wirklich aus der Vergangenheit und bleiben wachsam im Umgang mit den verletzlichsten Mitgliedern unserer Gesellschaft.“
Blick in die Ausstellung, links die Tafel für Gladys Strauss
Das Ensemble Saxibylla (Maria Sibylla Merian Gymnasium) bei der Eröffnungsfeier
Historische Forschung als Brücke zur Gegenwart Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der Vortrag von Dr. Barbara Elkeles, Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte e.V. und Teil des internationalen Forschungsteams, das die Ausstellung entwickelte. Sie schilderte, wie „interdisziplinäre Detektivarbeit“ nötig war, um die Schicksale der dreizehn britischen Opfer der „Aktion T4“ zu rekonstruieren. Archivmaterial aus drei Ländern sowie persönliche Zeugnisse von Angehörigen haben es ermöglicht, jenen Menschen ihre Geschichte zurückzugeben. „Ihre Schicksale zeigen“, so Dr. Barbara Elkeles weiter, „wie schnell Ausgrenzung und Diskriminierung das Leben eines Menschen systematisch verändern und schließlich zerstören kann.“
Besondere emotionale Resonanz rief die von ihr recherchierte und für die Ausstellung aufbereitete Lebensgeschichte von Gladys Strauss hervor, die seit Mai 1938 im St. Rochus-Hospital behandelt wurde und im September 1940 auf Anordnung der NS-Behörden deportiert und am 29. September 1940 in einer Tötungsanstalt ermordet wurde.
Eine Ausstellung mit aktueller Bedeutung Anschließend lenkte Peter van Elst, Seelsorger des St. Rochus-Hospitals, den Blick auf die Verantwortung der Gegenwart. Die gezeigten Schicksale seien ein Spiegel, vor dem man sich fragen müsse, „wie wir heute mit Menschen umgehen, die als schwach oder nicht leistungsfähig gelten.“ Anschließend lud er die Gäste ein, sich die Ausstellung im Foyer vor der Kirche anzusehen und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Den feierlichen Rahmen der Eröffnung vervollständigte die musikalische Begleitung durch das Saxophon-Quartett „Saxibylla“ vom Jugendblasorchester des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums Telgte.
Daniel Freese, Geschäftsführer des St. Rochus-Hospitals, hob im Anschluss an die feierliche Eröffnung hervor, dass dieser Ausstellungsort bewusst gewählt sei: Ein Krankenhaus sei „sowohl ein Ort der Medizin als auch ein Ort der Menschlichkeit.“ Deshalb werde die Vergangenheit hier aktiv aufgearbeitet, „damit sich jeder Mensch in seiner Würde geschützt weiß“ – gerade in einer Einrichtung, die sich psychisch erkrankten Menschen widmet.
Besucher der Eröffnungsfeier, im Hintergrund die Ausstellung
Besuch der Ausstellung Sowohl die Verantwortlichen des St. Rochus-Hospitals als auch die Kooperationspartner des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte e.V. freuen sich über die positive Resonanz auf die Ausstellung. Neben zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, die die Gelegenheit nutzen, die Ausstellung in Eigenregie zu besichtigen, war auch das Interesse seitens weiterführender Schulen und Berufskollegs groß. Im gesamten Ausstellungszeitraum setzten sich allein im Rahmen von Führungen weit mehr als 100 junge Menschen mit den dargestellten Biografien auseinander – darunter ein Englischleistungskurs des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Telgte sowie mehrere Klassen angehender Heilerziehungspflegerinnen und ‑pfleger des St. Vincenz-Berufskollegs Ahlen.
„Gerade jungen Leuten die Geschichten dieser zu Opfer gemachten Menschen nahe zu bringen ist uns ein besonderes Anliegen“, erläutert Frau Dr. Barbara Elkeles, Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte e.V. „Wir möchten, dass Erinnern zu einem aktiven Gestalten der Gegenwart und Zukunft beiträgt.“
Auch vonseiten des Krankenhauses ist die Resonanz positiv. „Es ist uns eine Herzensangelegenheit, als Klinik diesen wichtigen Beitrag zur Erinnerungsarbeit zu leisten und Raum für eine fundierte Auseinandersetzung mit der Geschichte zu schaffen“, betont Daniel Freese, Geschäftsführer des St. Rochus-Hospitals. „Wir freuen uns auf zahlreiche weitere Besucherinnen und Besucher.“
Infokasten: Das Schicksal von Gladys Strauss Gladys Rosie Iris Marx, geboren 1910 in London, wuchs nach der frühen Scheidung ihrer Eltern in Berlin auf. Dort heiratete sie mit nur 22 Jahren den deutlich älteren Kaufmann Fritz Strauss. Die Repressalien des NS-Regimes trafen das Ehepaar schon 1933. 1935 erkrankte Gladys an Schizophrenie. Ihre Erkrankung verschlimmerte sich so, dass sie in mehreren Anstalten behandelt wurde – zuletzt seit Mai 1938 im St. Rochus-Hospital in Telgte. Schließlich musste sie auf Anordnung des Reichsinnenministeriums im September 1940 nach Wunstorf verlegt werden. Von dort wurde sie einige Tage später in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel deportiert. Am 29. September 1940 wurde sie dort mit Kohlenmonoxid ermordet, kurz vor ihrem 30. Geburtstag.
Ihr Schicksal verdeutlicht, wie eng die Verbrechen der NS-Zeit mit Orten verbunden sind, die heute als Heilungs- und Schutzräume gelten. „Finding Ivy. Ein lebenswertes Leben“ erinnert an Gladys Strauss und weitere Opfer, deren Leben im Zeichen einer menschenverachtenden Ideologie für „unwert“ erklärt wurde – und regt dazu an, Verantwortung für die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu übernehmen.
Montag, 27. Januar 2025, 17:00 Uhr Pfarrheim St. Johannes, Einener Str. 3, 48291 Telgte
Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und zur Erinnerung an die Telgter Opfer des Nationalsozialismus laden das St. Rochus-Hospital Telgte, der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte e.V., die Katholische Kirchengemeinde St. Marien Telgte sowie die Stadt Telgte herzlich zur Gedenkveranstaltung am Montag, den 27. Januar 2025, um 17:00 Uhr ins Pfarrheim St. Johannes in Telgte ein.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht ein Vortrag von PD Dr. Christoph Lorke, Wissenschaftlicher Referent und Projektleiter im Referat „Geschichte des Arbeitens“ am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte. Unter dem Titel „80 Jahre Opfergedenken – Geschichte und Gegenwart“ wird Herr PD Dr. Christoph Lorke die historische Bedeutung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus beleuchten und einen Blick auf die aktuelle Relevanz dieses Themas werfen.
Neben dem Vortrag erwartet die Teilnehmenden ein interaktiver Teil, in dem sie sich mit der Thematik und ihrem heutigen Bezug auseinandersetzen können. Dies bietet eine wertvolle Gelegenheit zur Reflexion und Diskussion – gerade in einer Zeit, in der das Bewusstsein für die Bedeutung von Erinnerungskultur immer wieder neu geschärft werden muss. Darüber hinaus wird die Chorgemeinschaft St. Johannes unter der Leitung von Herrn Stephan Hinssen mit ihrem musikalischen Beitrag eine besondere Atmosphäre schaffen.
Die Gedenkveranstaltung ist eine Einladung an alle Telgter Bürgerinnen und Bürger, sich gemeinsam an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern und den Auftrag zur Bewahrung der Erinnerung für die Zukunft zu erfüllen.
Die Veranstaltung ist kostenfrei und offen für alle Interessierten.
(Foto C. Bartnick)
80 Jahre nach Kriegsende: Telgte gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus
Telgte, 29. Januar 2025 Aus Anlass des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs erinnerten das St. RochusHospital Telgte, der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte e.V., die Katholische Kirchengemeinde St. Marien Telgte sowie die Stadt Telgte an die Opfer des Nationalsozialismus. Rund einhundert Interessierte versammelten sich am Montag im Pfarrheim St. Johannes und nutzten die Gelegenheit, sich aktiv mit der Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur auseinanderzusetzen.
Grußworte zu Beginn In seinem Grußwort hob Bürgermeister Wolfgang Pieper hervor, wie wichtig das öffentliche Gedenken in einer Zeit sei, in der „die Grenzen des Sagbaren zunehmend verrutschen“ und forderte zu Wachsamkeit gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen auf. Er betonte, dass die Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus mehr denn je notwendig sei, um demokratische Grundwerte und ein friedliches Miteinander zu schützen. Peter van Elst, Seelsorger des St. Rochus-Hospitals, betonte: „Als katholische Einrichtung werden wir uns stets entschlossen gegen alle Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung wenden. Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen.“ Dr. Barbara Elkeles, Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung e.V., unterstrich ebenfalls die andauernde Verpflichtung zur Gedenkarbeit und ergänzte: „Für die Zukunft brauchen wir Erinnerungsarbeit, um Ausgrenzung und Unmenschlichkeit und Machtmissbrauch entschieden entgegenzutreten.“
Vortrag von PD Dr. Christoph Lorke Einen Höhepunkt der Veranstaltung bildete der Vortrag von PD Dr. Christoph Lorke, Wissenschaftlicher Referent und Projektleiter im Referat „Geschichte des Arbeitens“ am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte. Er zeichnete einen historischen Bogen durch 80 Jahre Erinnerungskultur und machte deutlich, warum dieser Prozess zu keinem Zeitpunkt als abgeschlossen gelten darf. Nach Kriegsende, erläuterte Lorke, habe zunächst das Prinzip des „Weitermachens“ und „Vorwärtsschauens“ dominiert, verbunden mit dem Wunsch nach neuer Stabilität. In vielen Ländern standen vor allem eigene Kriegsopfer und deren Angehörige im Fokus öffentlicher Anteilnahme. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen begann erst allmählich in den 1960er-Jahren. Die ersten juristischen Prozesse gegen Kriegsverbrecher, literarische Aufarbeitungen und die Einrichtung von Gedenkstätten signalisierten einen Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein. Verschiedene Opfergruppen, etwa Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle und Zwangsarbeiter, wurden allerdings erst in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren verstärkt in die Erinnerungsarbeit eingebunden. Einen wichtigen Schritt auf internationaler Ebene stellte laut Lorke die im Jahr 2000 in Stockholm initiierte Holocaustkonferenz dar. Viele Regierungen Europas erklärten damals, der Völkermord an den Juden solle ein gemeinsamer Bezugspunkt in der europäischen Erinnerungskultur sein. Seither ist der 27. Januar – der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz – in zahlreichen Ländern als offizieller Gedenktag verankert. In der Bundesrepublik besteht diese Tradition bereits seit 1996. Lorke wies zudem auf die umkämpfte Erinnerungskultur in der DDR hin, in der die Schuld an den NS-Verbrechen oft einseitig dem „Westen“ zugeschrieben wurde. Nach der Wiedervereinigung habe es zudem kritische Stimmen gegen ein zentrales Holocaust-Denkmal gegeben, was auf eine anhaltende Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hinwies. Heute stelle sich die Frage, ob und wie Kolonialismus oder Migrationsgeschichte in das kollektive Gedächtnis einbezogen werden sollten. Eine diversere, pluralere Gesellschaft bringe neue Gruppen hervor, die ihr Recht auf Erinnerung einfordern. „Man muss sensibel mit jeder Art von Ausgrenzung und Diskriminierung umgehen“, betonte Lorke und ergänzte: „Es geht nicht um Schuld, es geht um Vergewisserung, Reflexion, Vergegenwärtigung. Es gilt, subtile Formen von Hass und Gewalt ernst zu nehmen, bevor es zu spät ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht wegzusehen. Ausgrenzung von Minderheiten und Schwächeren erlebt in diesen Zeiten eine beinahe unheimliche Wiederkehr. Es muss uns dazu anhalten, wachsam zu bleiben und gegenseitig Toleranz zu zeigen.“
Gemeinsames Gedenken und Ausblick Musikalische Akzente setzte die Chorgemeinschaft St. Johannes unter der Leitung von Stephan Hinssen, die unter anderem hebräische Lieder sang und das Publikum zum Mitsingen einlud. In einem interaktiven Teil notierten die Teilnehmenden ihre Wünsche für ein respektvolles und friedliches Miteinander auf ausgehängten Plakaten. Am Ende des Abends stand die Erkenntnis, dass Mahnung und Gedenken dauerhaft bestehen müssen, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten und das Bewusstsein für grundlegende Werte zu stärken. Dr. Christoph Lorkes eindringlicher Schlussappell fand breite Zustimmung: „Erinnerung ist eine Daueraufgabe, gerade jetzt, und eine Verpflichtung gegen das Vergessen der Demokratie.“
Erinnerung und Mahnung – Verein zur Förderung des Andenkens an die Juden in Telgte e.V. Der Verein Erinnerung und Mahnung wurde am 30. November 1998 gegründet. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Telgter Juden zu erforschen und zu dokumentieren. Orte des Gedenkens sollen die ermordeten Juden und weitere Opfer des Nationalsozialismus in das Gedächtnis der städtischen Gemeinschaft zurückholen. Kontakt: Dr. Barbara Elkeles Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte e.V. b.elkeles@erinnerung-und-mahnung.de
Das St. Rochus-Hospital in Telgte ist eine Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit einer über 175-jährigen Geschichte. Die Klinik in Trägerschaft der St. Franziskus-Stiftung Münster verfügt über 291 Betten und umfasst die Bereiche Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Psychotherapie, Gerontopsychiatrie und Abhängigkeitserkrankungen. Angeschlossen sind zwei Tageskliniken, eine psychiatrische Institutsambulanz sowie der Wohnbereich St. Benedikt mit 85 Plätzen. Tochtergesellschaften sind u.a. die St. Clemens GmbH mit Angeboten der stationären Altenhilfe, die St. Christophorus Ambulante Pflege GmbH sowie die St. Nikolaus GmbH, eine Inklusionsfirma mit einer Bäckerei und zwei Cafés. Pressekontakt: Carolin Bartnick Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Tel. 02504/60–368 Mobil: 0151/50941071 carolin.bartnick@srh-telgte.de
Ausstellungseröffnung am 12.03.2025 um 16:30 Uhr in der Kirche des St. Rochus-Hospitals Telgte
Das St. Rochus-Hospital Telgte und der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte e.V. laden Sie herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Finding Ivy. Ein lebenswertes Leben” am 12.03.2025 um 16:30 Uhr in der Kirche des St. Rochus-Hospitals Telgte ein. In der Ausstellung eines internationalen Forschungsteams werden die Lebenswege in Großbritannien geborener Opfer der nationalsozialistischen Euthanasiemorde dargestellt. Darunter auch der von Gladys Strauss, einer jungen jüdischen Frau, die vor ihrer Tötung wegen einer Schizophrenie im St. Rochus-Hospital Telgte behandelt wurde. Herr Prof. Dr. Rothermundt, Ärztlicher Direktor des St. Rochus-Hospitals, und Frau Dr. Elkeles vom Verein Erinnerung und Mahnung Telgte e.V., werden die Veranstaltung mit einführenden Worten begleiten. Wir freuen uns auf einen gemeinsamen Moment des Gedenkens und der Reflexion mit Ihnen. Im Anschluss an die feierliche Eröffnung wird die Ausstellung noch bis Mittwoch, 09.04.2025, im Foyer vor der Kirche des St. Rochus-Hospitals für Besucher:innen des Hauses und Interessierte geöffnet sein.
Für das Direktorium Daniel Freese Geschäftsführer St. Rochus-Hospital Telgte GmbH
Dr. Barbara Elkeles Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte e.V.
Mittwoch, 13.11.2024, 17.00 Uhr Aula des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums Zur Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 laden der Verein Erinnerung und Mahnung und das Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium zu einer Gedenkstunde ein. Schülerinnen und Schüler gestalten Erinnerungskultur; sie lesen Gedichte von Selma Merbaum und Rose Ausländer. Ein Instrumentalensemble spielt Werke von Srul Irving Glick und John Williams. Das Grußwort spricht Herr Bürgermeister Wolfgang Pieper
„Ich möchte leben“Selma Merbaum
Lesung und Musik zum Gedenken an die Novemberpogrome 1938 am 13. November 2024
Erstmals gestalteten der Verein Erinnerung und Mahnung und das Maria-Sibylla- Merian-Gymnasium gemeinsam eine Feier zum Gedenken an die Novemberpogrome. Auf diese Weise wurden junge Menschen – Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums – aktiv in die Erinnerungskultur einbezogen. Sie rezitierten Gedichte von Selma Merbaum und Rose Ausländer. Hier wurde z.T. ein fast professionelles Niveau erreicht. Eine Gruppe von Schülerinnen stellte in einer Präsentation das Leben von Selma Merbaum vor, die 18-jährig in einem Zwangsarbeiterlager an Fleckfieber verstarb. Schon als 15-jährige begann sie Gedichte zu schreiben, die wie durch ein Wunder gerettet wurden und heute zur Weltliteratur zählen. Ein Instrumentalensemble spielte Werke von Srul Irving Glick und John Williams und zeigte damit, dass jüdische Musik auch jenseits von Klezmer emotional bewegend und inspirierend wirkt. Zeichnungen und Gemälde, die Schülerinnen und Schüler zur Thematik angefertigt hatten, ermöglichten in Verbindung mit der symbolträchtigen Gestaltung der Aula ein tief berührendes sinnliches Erleben.
Bürgermeister Pieper betonte in seinem Grußwort die Verantwortung der jungen Generation für eine gelebte Erinnerungskultur und erinnerte daran, dass Ausgrenzung, Hass und Gewalt in der NS-Zeit auch in Telgte an der Tagesordnung waren. Beispiele dafür, dass sich auf der Seite der Täter wie auf der Seite der Opfer auch Angehörige der damaligen jungen Generation befanden, hob Barbara Elkeles in ihrer Begrüßung hervor. Die Ausrichtung auf Werte wie Toleranz und Menschlichkeit, wie sie die Werke von Selma Merbaum und Rose Ausländer vermitteln, so Mechthild Rövekamp-Zurhove in ihrer Begrüßung, können für die Gefahren von menschenverachtenden Ideologien sensibilisieren.
Die Veranstaltung war gut besucht, die Atmosphäre sehr dicht, intensiv und emotional berührend. Sie wird den jungen wie älteren Besuchern als Beispiel einer gelungenen generationenübergreifenden Gedenkkultur in Erinnerung bleiben.
Am Sonntag, den 15.09.2024 lädt der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte in Zusammenarbeit mit dem Museum RELíGIO zu einem Tag der offenen Tür an der Alten Synagoge (Emsstraße 4) ein. Das Gebäude diente von 1700 bis 1875 als Synagoge, später in Teilen als koscheres Schlachthaus. Damit ist es ein einzigartiges Zeugnis für das Leben der jüdischen Minderheit. Zwischen 14.30 und 16.30 werden in halbstündigen Abständen Führungen angeboten. Vor der Synagoge stehen Kaffee und Kuchen bereit. Um eine Spende für die Vereinsarbeit wird gebeten. Die Veranstaltung kann nur bei trockenem Wetter stattfinden.
Tag der offenen Tür an der Alten Synagoge Telgte Zahlreiche Besucher folgten am vergangenen Sonntag, 15. September 2024, der Einladung des Vereins Erinnerung und Mahnung und des Museum RELíGIO zu einem Tag der offenen Tür an der Alten Synagoge in der Emsstraße. Bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen kamen sie mit dem Vereinsvorstand ins Gespräch und konnten das Fachwerkgebäude im Rahmen einer Führung kennen lernen.
Den ganzen Nachmittag über nutzten Telgter, aber auch Besucher aus Warendorf und Münster die Gelegenheit, etwas mehr über die Alte Synagoge zu erfahren. Errichtet wurde das kleine Fachwerkgebäude um 1500. Damit ist es das zweitälteste Gebäude Telgtes. Von 1700 an diente es der kleinen jüdischen Minderheit als Synagoge. Davon kann man noch viele Spuren erkennen: Reste des Thoraschreins, des Lesepultes, eines hölzernen Tonnengewölbes, der großen Fenster und der Treppe zur Frauenempore. Als 1875 die neue Synagoge in der Königstraße errichtet worden war, nutzten die neuen jüdischen Besitzer Teile als koscheres Schlachthaus. Auch von dieser Nutzung sind noch eindrucksvolle Spuren sichtbar. Nach dem Zwangsverkauf im Jahr 1938 wurde das Gebäude von den neuen Eigentümern als Schuppen und Werkstatt weiter verwendet. 1980 wurde seine frühere Funktion wiederentdeckt. Nach der Restaurierung ist es seit einem Jahr im Rahmen von Führungen der Öffentlichkeit zugänglich.
Als älteste noch räumlich erfahrbare Synagoge ganz Westfalens und eine der ältesten des Münsterlandes zeugt das Gebäude von mehreren hundert Jahren jüdischen Lebens in unserer Stadt. Es erinnert daran, dass ein Zusammenleben von Juden und Nichtjuden trotz aller Konflikte und Verschiedenartigkeiten möglich war. Damit ist die alte Synagoge als Gedenkort an jüdisches Leben in Telgte am vergangenen Sonntag erneut ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit gelangt.
Samstag, 27. Januar 2023, 18:00 Uhr Vortragsraum des Museums RELíGIO Telgte
Am 27.01.2024, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, hält Dr. Barbara Elkeles, Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung, im Museum ReLigio um 18.00 einen Vortrag. Im Mittelpunkt wird die alte Telgter Synagoge stehen, die seit kurzem nach umfänglicher Restaurierung im Rahmen von Führungen öffentlich zugänglich ist. Nach neuen Forschungsergebnissen der Referentin diente das kleine Fachwerkgebäude an der Emsstraße der kleinen jüdischen Gemeinschaft seit spätestens 1701 als Synagoge, bis es 1875 durch einen Neubau in der Königstraße ersetzt wurde. Im Vortrag wird die Geschichte einiger jüdischer Familien dargestellt, die z.T. über viele Generationen in Telgte in unmittelbarer Nachbarschaft der Synagoge lebten. Einige waren im 18. Jahrhundert wohlhabende Fernhändler. Es bestanden sogar familiäre Beziehungen zu einflussreichen Hofjuden und Hoffinanziers. Die Quellen geben Auskunft zum jüdischen Wirtschafts- und Alltagsleben, zu innerjüdischen Auseinandersetzungen und zu Konflikten mit der katholisch geprägten nichtjüdischen Gesellschaft. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf dem Schicksal der Familie Auerbach liegen, die als unmittelbare Nachbarn und spätere Besitzer des Gebäudes in herausragender Weise mit der Synagoge verbunden waren, das sie nach 1875 bis zu ihrer Vertreibung als Schlachthaus und Schuppen nutzten.
Anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums lud der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte jetzt zu einem besonderen Konzert ein. In der fast vollbesetzten Petruskirche präsentierte das Ensemble „mendels töchter“ Musik von Erich Mendel. Der Komponist und Musikwissenschaftler Erich Mendel, in Gronau geboren und aufgewachsen, wirkte als jüdischer Kantor von 1922 bis 1939 in der Bochumer Synagoge, bevor auch er vor der Barbarei der Nationalsozialisten flüchten musste. Die Musikerinnen ließen Mendels Werke in wechselnden Besetzungen erklingen und boten eigene Musikstücke dar, die sie inspiriert durch seine Melodien selbst geschaffen haben. Das „Adam Olam“, ein Gesang, der am Ende des Sabbatgottesdienstes steht, verkündete Zuversicht und Freude. Besonders kunstvoll und zugleich schlicht war das „Magen avot“ (Schild unserer Väter), das den Segen erbittet, innig das „Kelohenu“, das eindringlich die Unvergleichlichkeit Gottes preist. Fast überschwänglich fröhlich waren die abschließenden Gesänge und Instrumentalstücke. In seiner kenntnisreichen Moderation stellte Pfarrer em. Dr. Manfred Keller Leben und Werk des bedeutenden Synagogenmusikers dar, der nach KZ-Haft und erzwungener Emigration in die USA unter dem Namen Eric Mandell eine der weltweit größten Sammlungen synagogaler Musik zusammentrug. Mandell machte sich als Chordirektor der Har Zion Synagoge und als Leiter der Kantorenausbildung am Gratz-College in Philadelphia auch um die Musikpraxis verdient.
Dr. Manfred Keller, Vanessa Hövelmann, Cornelia Klaren, Barbara Keller, Ulla Pfefferle
Die Zuhörer lauschten gebannt den Klängen des Ensembles, die zugleich fremd und vertraut wirkten und die emotional tief berührten. Durch die abwechslungsreichen Instrumentierungen mit Singstimmen, Klavier, Klarinette, Flöte, Geige, Akkordeon, Schlaginstrumenten wurde eine ungeheure Farbigkeit des Klangs erreicht. Stimmen und Instrumente verwoben sich zu einem kunstvollen Klangteppich, der die besondere Harmonik und Rhythmik dieser Musik nachdrücklich und durchweg intonationsrein wiedergab. Jubel und Freude, Zuversicht und Hoffnung fanden so ihren musikalischen Ausdruck, immer begleitet von Manfred Kellers kenntnisreichen und sensiblen Kommentaren. Es war Musik, die zu Herzen geht und die den Zuhörern eine fremde Welt erschloss, die Welt der Synagoge. Das Publikum bedankte sich mit einem langen und sehr herzlichen Beifall für dieses außergewöhnliche musikalische Ereignis.