Stolpersteinverlegung in Telgte am 9. Februar 2019
Der Einladung des Vereins »Erinnerung und Mahnung Telgte« zur Stolpersteinverlegung am 9.02.2019 war eine große Zahl von Interessierten gefolgt.
In seiner Begrüßung im Rathausfoyer wies Bürgermeister Wolfgang Pieper darauf hin, wie wichtig es angesichts aktueller Tendenzen zu Ausgrenzung und Diskriminierung ist, die Erinnerung wachzuhalten und im wahrsten Sinne darüber zu »stolpern«. Frau Dr. Elkeles als Vereinsvorsitzende dankte vor allem den großzügigen Spendern, ohne die diese Aktion nicht möglich gewesen wäre. Es folgte ein Vortrag von Professor Dr. Peter Kröner, der den engen ideologischen Zusammenhang zwischen Krankenmorden und Judenvernichtung belegte.
Direkt im Anschluss wurden durch den Künstler Gunter Demnig die ersten beiden Stolpersteine für Bernhard Möller und Bernhard Lütke Grachtrup verlegt. Die letzte frei gewählte Wohnung lag für beide im ehemaligen Kirchspiel. Daher wurden die Steine an zentraler Stelle der Stadt direkt vor dem Rathaus gesetzt.
Zur nächsten Stelle in der Dr. Josef Koch Straße 4 mussten die Teilnehmer nur wenige Meter zurücklegen. Hier lebte Anton Erich Sauerland. Der vierte Stein in der Innenstadt für Oskar Rolf wurde im Anschluss vor dem Eingang zur Tiefgarage der Volksbank in der Ritterstrasse 64, dem ehemaligen Standort des »Langen Jammers«, verlegt. Dort liegen schon zwei Steine für Josef und Maria Unger, die als sogenannte »Zigeuner« verfolgt und ermordet wurden.
An den einzelnen Stellen verlas Frau Dr. Dorothea Beck Kurzbiographien der Opfer. Ein Gebetstext, gesprochen durch Arnold Michels, gab den Anwesenden Gelegenheit, ihre Trauer und innere Bewegtheit in Worte zu fassen. Eine durch Gertrud Stümper auf jedem Stein niedergelegte weiße Rose verlieh der Szene eine ernste Würde. Musikalisch wurden die Verlegungen von kurzen Sätzen für Frauenterzett umrahmt (Iris Becker, Barbara Elkeles, Claudia Zumbrock).
Nach einer kleinen Pause, in der sich die Teilnehmer in der Cafeteria des St. Rochus-Hospitals mit einem Kaffee aufwärmen konnten, wurden vor der Kapelle des St. Rochus-Hospitals Stolpersteine für die ehemaligen jüdischen Patientinnen Gladys Strauss und Sophia Serphos gesetzt. Die Gestaltung hatten die dortigen Verantwortlichen und Mitarbeiter übernommen. Einer Begrüßung durch den Ärztlichen Direktor, Professor Dr. med. Matthias Rothermundt, folgten Kurzbiographien der Opfer, verlesen durch Mitarbeiterinnen des Langzeitbereichs. Die städtische Musikschule steuerte Klezmer-Musik bei, durch den Krankenhausseelsorger Peter von Elst wurde ein Bußpsalm in der Übersetzung von Martin Buber verlesen.
Nach der Veranstaltung waren viele Teilnehmer tief bewegt und ergriffen. Unsere Stadt besitzt durch die neuen Stolpersteine weitere Erinnerungsorte, die das Gedenken an die Opfer und das Ihnen zugefügte Unrecht wach halten.
Zum Schluss ein paar Worte in eigener Sache:
Der Verein »Erinnerung und Mahnung Telgte« hat sich die Pflege dieser Erinnerungskultur zur Aufgabe gesetzt. Um diese Aufgaben auch weiterhin erfüllen zu können, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen. Das kann in Form einer aktiven Mitarbeit geschehen. Wir freuen wir uns aber auch, wenn Sie uns einfach durch Ihren Beitritt und damit durch Ihre Mitgliedsbeiträge unterstützen.
Dr. Barbara Elkeles
Bildergalerie zur Verlegung der Stolpersteine am 9. Februar in Telgte.
Fotos: Kordula Rüter, letztes Foto in der Reihe: WN Telgte
Einladung zur Stolpersteinverlegung
In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Telgte vor allem durch das Engagement von Ludwig Rüter das Schicksal ehemaliger jüdischer Mitbürger aufgearbeitet. Vor den ehemaligen Wohnungen wurden im Jahr 2004 Stolpersteine verlegt. Aber auch geistig behinderte und psychisch kranke Menschen wurden Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Ihr Schicksal ist in der 2017 erschienenen Neuauflage des „Gedenkbuches für Telgter Opfer des Nationalsozialismus“ dokumentiert.
Darunter war Bernhard Möller, der an dem sogenannten Down-Syndrom litt. Er lebte mit seiner Familie in der Bauernschaft Schwienhorst. Im Jahr 1940 kam er als Zehnjähriger in die Heil- und Pflegeanstalt Niedermarsberg in Westfalen, am 17.10.1943 wurde er nach mehreren „Verlegungen“ in der sogenannten Kinderfachabteilung Meseritz-Oberwalde in der Provinz Posen ermordet. Der Familie wurde als Todesursache „Herzmuskelschwäche“ mitgeteilt. Auch der 1916 in Telgte geborene Oskar Rolf, der an einer geistigen Behinderung und epileptischen Anfälleln litt, wurde Opfer der Krankenmorde: Über mehrere Zwischenstationen wurde er schließlich in die Anstalt Hadamar in Hessen verlegt, wo er am 30.10.1944 umgebracht wurde. Das Schicksal der weiteren Opfer kann im Gedenkbuch und auf dieser Website des Vereins nachgelesen werden.
Auch dieser ehemaligen Telgter soll nun durch Stolpersteine gedacht werden. Die Steine wird der Künstler Gunter Demnig am 9. Februar 2019 verlegen. Um 11.30 beginnen wir mit einer Einführungsveranstaltung im Rathausfoyer. Hier wird Herr Prof. Dr. Peter Kröner in einem kurzen Vortrag die ideologischen Zusammenhänge zwischen Krankenmorden und Judenvernichtung erklären. Anschließend werden die vier Steine in der Innenstadt verlegt. Gegen 13.15 Uhr folgen am St. Rochus-Hospital zwei weitere Verlegungen für die ehemaligen jüdischen Patientinnen Gladys Strauss und Sophia Serphos.
Zu der Verlegung der Stolpersteine am 09.02.2019 lädt der Verein herzlich ein. Wer einen Stolperstein – Preis 120 Euro – stiften oder mit einer Spende zu der Aktion beitragen möchte, ist dazu herzlich eingeladen.