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Alte Synagoge Telgte (c) K. Rüter

Alte Synagoge in Telgte

Etwas ver­steckt zwi­schen zwei Grundstücken steht in Telgte inmit­ten der Historischen Altstadt mit der Alten Synagoge ein ein­zig­ar­ti­ges kul­tur­ge­schicht­li­ches Zeugnis, eine von ganz weni­gen noch erhal­te­nen ehe­ma­li­gen Hof-Synagogen Westfalens.

Eröffnung der Alten Synagoge am 10.9.2023

Alte Synagoge Telgte
Foto © K. Rüter

Innerstädtisches Wirtschaftsgebäude
Unmittelbar nach dem Stadtbrand von 1499 ent­stand in einem von Marktplatz, Ems- und Steinstraße gesäum­ten Baublock auf einer Grundfläche von etwa 24 m² ein zwei­ge­schos­si­ger Speicher mit hoch auf­ra­gen­dem Satteldach. Das klei­ne Fachwerkgebäude zählt zu einem Gebäudetypus, der heu­te in his­to­ri­schen Stadtkernen Westfalens kaum noch zu fin­den ist.

Foto © K. Rüter

Vom Speicher zur Snagoge
Seit der ers­ten Hälfte des 18. Jahrhunderts nutz­ten die in Telgte ansäs­si­gen jüdi­schen Familien den klei­nen Speicher, der heu­te als Alte Synagoge bezeich­net wird, für den Gottesdienst. Für die Umnutzung des Gebäudes spra­chen zum einen die Eigentumsverhältnisse, denn rings­um befan­den sich meh­re­re Häuser in jüdi­schem Besitz, zum ande­ren auch die ver­steck­te Lage, da der Gottesdienst nach den Bestimmungen der fürst­bi­schöf­li­chen Judenordnung von 1662 nur im Verborgenen statt­fin­den durfte.

Die not­wen­di­gen bau­li­chen Veränderungen nahm man mit ein­fachs­ten Mitteln vor: Das Gebäude wur­de in der bestehen­den Konstruktionsform um etwa drei Meter ver­län­gert und ver­füg­te nun über eine Grundfläche von ca. 38 m²; die Zwischendecke wur­de ent­fernt, der neu geschaf­fe­ne Gebetsraum erhielt ein fla­ches höl­zer­nes Tonnengewölbe und eine Frauenempore mit sepa­ra­tem Eingang. Der Thoraschrein fand in einer nach außen gestülp­ten Nische Platz, das Lesepult (Bima) im Zentrum des durch vier gro­ße Fenster belich­te­ten und mit einer ein­heit­li­chen Farbfassung ver­se­hen Raumes. Heute ist die­ser in sei­nen wesent­li­chen Bestandteilen über­lie­fer­te Bau die ältes­te im Inneren noch räum­lich erfahr­ba­re Synagoge Westfalens.

Foto © K. Rüter

Vom Schlachthaus zum Abstellraum
Der klei­ne Bau dien­te bis zur Eröffnung der neu­en, nun öffent­lich sicht­ba­ren Synagoge an der Königstraße im Jahr 1875 als Gebets- und Versammlungsraum. Der ehe­ma­li­ge Speicher blieb in jüdi­schem Besitz und wur­de fort­an als kosche­res Schlachthaus genutzt.
Der Bau wur­de wäh­rend der Novemberprogrome 1938 nicht zer­stört.
Ende November 1939 muss­te der letz­te jüdi­sche Besitzer Jakob Auerbach sei­nen gesam­ten Grund- und Hausbesitz auf­ge­ben.
Das Gebäude wur­de fort­an als Abstellraum genutzt und ver­fiel zuneh­mend. Das schad­haf­te Satteldach war 1965 gegen ein ein­fa­ches Pultdach ersetzt und eine neue Zwischendecke ein­ge­baut worden.

Foto © K. Rüter

Wiederentdeckung, Konservierung und Restaurierung
Als sich Anfang der 1980er-Jahre Schüler der ört­li­chen Realschule mit der Geschichte der jüdi­schen Bevölkerung Telgtes zwi­schen 1933 und 1945 befass­ten, rück­te auch die Alte Synagoge ins Blickfeld der Öffentlichkeit und das Gebäude wur­de 1992 in die städ­ti­sche Denkmalliste auf­ge­nom­men.
Es soll­ten jedoch noch drei Jahrzehnte ver­ge­hen, bis mit der Instandsetzung des mitt­ler­wei­le in vie­len Bereichen gefähr­de­ten Baus begon­nen wur­de. Mit Unterstützung
des Bundes, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Kreises Warendorf, der Stadt Telgte und des LWL hat die heu­ti­ge Eigentümerin in den Jahren 2022 und 2023 behut­sa­me Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten durch­füh­ren las­sen. Hierbei wur­den die ver­schie­de­nen Bauphasen respek­tiert, sodass die Veränderungsgeschichte vom Speicher bis zum Abstellraum ables­bar bleibt. Gleichwohl konn­te die Zeitschicht „Synagoge“ anschau­li­cher gemacht werden.

Der Text entstammt (mit geringfügigen Änderungen) einer Vorlage von Dr. Christian Steinmeier.

Flyer Alte Synagoge Telgte als PDF-Download

Orte jüdischen Lebens, Statdtrundgang durch Telgte

Orte jüdischen Lebens – Stadtrundgang durch Telgte

Der Stadtrundgang »Orte jüdischen Lebens« ist als gedruckter Flyer verfügbar.

Der Flyer liegt unter ande­rem an fol­gen­den Orten in Telgte aus:
» Tourismus + Kultur Telgte | Kapellenstraße 2
» RELíGIO – Westfälisches Museum für reli­giö­se Kultur | Herrenstraße 1–2
» Rathaus Telgte, Foyer | Baßfeld 4

Der Flyer für den Stadtrundgang als pdf-Download

Die Route durch die Altstadt:

  1. Marktplatz (Ausrufer)
  2. Synagoge bis 1875, Emsstraße Parkplatz Pottkieker
  3.  Familie Jakob Auerbach, Stolpersteine für Fanny, Klara, Jacob, Erich und Kurt Auerbach, Steinstraße 4
  4. Familie Hermann Auerbach, Stolpersteine für Johanna und Hermann Auerbach, Bahnhofstraße 5
  5. Gedenktafel im Judengängsken zur Erinnerung  an die Pogromnacht 1938
  6. Standort der Gedenkstele zur Erinnerung an Telgter Opfer des Nationalsozialismus,  Königstraße 43
  7. Stolpersteine für Henriette und Siegfried Mildenberg und Karl-Heinz Steinhardt
  8. Stolpersteine für Maria Josefa und Josef Unger, Ritterstraße
  9. Jüdischer Friedhof am Hagen
  10. Gedenktafel am Emswehr

Den Stadtrundgang können Sie in leicht abgewandelter Form auch über die vom Jüdischen Museum Berlin unterhaltene interaktive Karte zu jüdischem Leben in Deutschland »Jewish places« nachvollziehen.

» Stadtrundgang starten

 

Stolpersteinverlegung in Telgte am 9. Februar 2019

Der Einladung des Vereins »Erinnerung und Mahnung Telgte« zur Stolpersteinverlegung am 9.02.2019 war eine große Zahl von Interessierten gefolgt.

In sei­ner Begrüßung im Rathausfoyer wies Bürgermeister Wolfgang Pieper dar­auf hin, wie wich­tig es ange­sichts aktu­el­ler Tendenzen zu Ausgrenzung und Diskriminierung ist, die Erinnerung wach­zu­hal­ten und im wahrs­ten Sinne dar­über zu »stol­pern«. Frau Dr. Elkeles als Vereinsvorsitzende dank­te vor allem den groß­zü­gi­gen Spendern, ohne die die­se Aktion nicht mög­lich gewe­sen wäre. Es folg­te ein Vortrag von Professor Dr. Peter Kröner, der den engen ideo­lo­gi­schen Zusammenhang zwi­schen Krankenmorden und Judenvernichtung belegte.

Direkt im Anschluss wur­den durch den Künstler Gunter Demnig  die ers­ten bei­den Stolpersteine für Bernhard Möller und Bernhard Lütke Grachtrup ver­legt. Die letz­te frei gewähl­te Wohnung lag für bei­de im ehe­ma­li­gen Kirchspiel. Daher wur­den die Steine an zen­tra­ler Stelle der Stadt direkt vor dem Rathaus gesetzt.

Zur nächs­ten Stelle in der Dr. Josef Koch Straße 4 muss­ten die Teilnehmer nur weni­ge Meter zurück­le­gen. Hier leb­te Anton Erich Sauerland. Der vier­te Stein in der Innenstadt für Oskar Rolf wur­de im Anschluss vor dem Eingang zur Tiefgarage der Volksbank in der Ritterstrasse 64, dem ehe­ma­li­gen Standort des »Langen Jammers«, ver­legt. Dort lie­gen schon zwei Steine für Josef und Maria Unger, die als soge­nann­te »Zigeuner« ver­folgt und ermor­det wurden.

An den ein­zel­nen Stellen ver­las Frau Dr. Dorothea Beck Kurzbiographien der Opfer. Ein Gebetstext, gespro­chen durch Arnold Michels, gab den Anwesenden Gelegenheit, ihre Trauer und inne­re Bewegtheit in Worte zu fas­sen. Eine durch Gertrud Stümper auf jedem Stein nie­der­ge­leg­te wei­ße Rose ver­lieh der Szene eine erns­te Würde. Musikalisch wur­den die Verlegungen von kur­zen Sätzen für Frauenterzett umrahmt (Iris Becker, Barbara Elkeles, Claudia Zumbrock).

Nach einer klei­nen Pause, in der sich die Teilnehmer in der Cafeteria des St. Rochus-Hospitals mit einem Kaffee auf­wär­men konn­ten, wur­den vor der Kapelle des St. Rochus-Hospitals Stolpersteine für die ehe­ma­li­gen jüdi­schen Patientinnen Gladys Strauss und Sophia Serphos gesetzt. Die Gestaltung hat­ten die dor­ti­gen Verantwortlichen und Mitarbeiter über­nom­men. Einer Begrüßung durch den Ärztlichen Direktor, Professor Dr. med. Matthias Rothermundt, folg­ten Kurzbiographien der Opfer, ver­le­sen durch Mitarbeiterinnen des Langzeitbereichs. Die städ­ti­sche Musikschule steu­er­te Klezmer-Musik bei, durch den Krankenhausseelsorger Peter von Elst wur­de ein Bußpsalm in der Übersetzung von Martin Buber verlesen.

Nach der Veranstaltung waren vie­le Teilnehmer tief bewegt und ergrif­fen. Unsere Stadt besitzt durch die neu­en Stolpersteine wei­te­re Erinnerungsorte, die das Gedenken an die Opfer und das Ihnen zuge­füg­te Unrecht wach halten.

Zum Schluss ein paar Worte in eigener Sache:

Der Verein »Erinnerung und Mahnung Telgte« hat sich die Pflege die­ser Erinnerungskultur zur Aufgabe gesetzt. Um die­se Aufgaben auch wei­ter­hin erfül­len zu kön­nen, sind wir auf Ihre Unterstützung ange­wie­sen. Das kann in Form einer akti­ven Mitarbeit gesche­hen. Wir freu­en wir uns aber auch, wenn Sie uns ein­fach durch Ihren Beitritt und damit durch Ihre Mitgliedsbeiträge unterstützen.
Dr. Barbara Elkeles

Bildergalerie zur Verlegung der Stolpersteine am 9. Februar in Telgte.

Fotos: Kordula Rüter, letz­tes Foto in der Reihe: WN Telgte


Einladung zur Stolpersteinverlegung

In den ver­gan­ge­nen Jahrzehnten wur­de in Telgte vor allem durch das Engagement von Ludwig Rüter das Schicksal ehe­ma­li­ger jüdi­scher Mitbürger auf­ge­ar­bei­tet. Vor den ehe­ma­li­gen Wohnungen wur­den im Jahr 2004 Stolpersteine ver­legt. Aber auch geis­tig behin­der­te und psy­chisch kran­ke Menschen wur­den Opfer der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rassenpolitik. Ihr Schicksal ist in der 2017 erschie­ne­nen Neuauflage des „Gedenkbuches für Telgter Opfer des Nationalsozialismus“ dokumentiert.

Darunter war Bernhard Möller, der an dem soge­nann­ten Down-Syndrom litt. Er leb­te mit sei­ner Familie in der Bauernschaft Schwienhorst. Im Jahr 1940 kam er als Zehnjähriger in die Heil- und Pflegeanstalt Niedermarsberg in Westfalen, am 17.10.1943 wur­de er nach meh­re­ren „Verlegungen“ in der soge­nann­ten Kinderfachabteilung Meseritz-Oberwalde in der Provinz Posen ermor­det. Der Familie wur­de als Todesursache „Herzmuskelschwäche“ mit­ge­teilt. Auch der 1916 in Telgte gebo­re­ne Oskar Rolf, der an einer geis­ti­gen Behinderung und epi­lep­ti­schen Anfälleln litt, wur­de Opfer der Krankenmorde: Über meh­re­re Zwischenstationen wur­de er schließ­lich in die Anstalt Hadamar in Hessen ver­legt, wo er am 30.10.1944 umge­bracht wur­de. Das Schicksal der wei­te­ren Opfer kann im Gedenkbuch und auf die­ser Website des Vereins nach­ge­le­sen werden.

Auch die­ser ehe­ma­li­gen Telgter soll nun durch Stolpersteine gedacht wer­den. Die Steine wird der Künstler Gunter Demnig am 9. Februar 2019 ver­le­gen. Um 11.30 begin­nen wir mit einer Einführungsveranstaltung im Rathausfoyer. Hier wird Herr Prof. Dr. Peter Kröner in einem kur­zen Vortrag die ideo­lo­gi­schen Zusammenhänge zwi­schen Krankenmorden und Judenvernichtung erklä­ren. Anschließend wer­den die vier Steine in der Innenstadt ver­legt. Gegen 13.15 Uhr fol­gen am St. Rochus-Hospital zwei wei­te­re Verlegungen für die ehe­ma­li­gen jüdi­schen Patientinnen Gladys Strauss und Sophia Serphos.

Zu der Verlegung der Stolpersteine am 09.02.2019 lädt der Verein herz­lich ein. Wer einen Stolperstein – Preis 120 Euro – stif­ten oder mit einer Spende zu der Aktion bei­tra­gen möch­te, ist dazu herz­lich eingeladen.

Familie Jakob Auerbach

Familie
Jakob Auerbach

Jakob Auerbach wur­de 1874 gebo­ren. Er über­nahm von sei­nem Vater Mendel den Viehhandel und das Geschäft als Metzger an der Steinstraße 4. Als geach­te­ter Telgter Bürger gehör­te er vie­len Vereinen an. Aus sei­ner Ehe mit Jeanette Berger gin­gen drei Söhne her­vor, Erich 1922, Alfred 1923 und Kurt 1926. Zur Familie gehör­te auch Fanny, die unver­hei­ra­te­te Schwester des Vaters.

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1925 Familie Auerbach in Bad Oeynhausen

Familie
Hermann Auerbach

Die Familie Auerbach war in Telgte seit 1760 ansäs­sig, als Jacob Abraham die Erlaubnis erhielt, sich in Telgte nie­der­zu­las­sen. Sein Enkel nahm Anfang des 19. Jahrhunderts den Familiennamen Auerbach an.
Die Familie leb­te schon in der fünf­ten Generation in Telgte, als die »Gebrüder Auerbach« – Moritz, Max und Hermann – gemein­sam einen flo­rie­ren­den Viehgroßhandel auf­bau­ten. Sie waren geschäft­lich erfolg­reich und gal­ten als geach­te­te Bürger der Stadt. Wie ihr Vater setz­ten sie sich für die Belange der jüdi­schen Gemeinschaft ein.

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Jüdischer Friedhof in Telgte

2005 Neugestaltung

Nach dem Ende des Krieges erklär­te der im Mai 1945 von den Besatzungsmächten ein­ge­setz­te Amtsbürgermeister Bernhard Wibbelt:»… Sofort nach mei­nem Dienstantritt habe ich ver­an­laßt, dass die vor­han­de­nen Grabdenkmäler, die sei­ner­zeit ent­fernt wor­den waren, wie­der auf­ge­stellt wur­den …« Es waren drei Grabsteine der zuletzt bestat­te­ten Leni, Max und Moritz Auerbach. Diese wur­den im Keller des 1945 abge­brann­ten Parteihauses der NSDAP am Knickenbergplatz wie­der­ge­fun­den. Wer die­se vor der Zerstörung geret­tet hat, wis­sen wir nicht.

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