Der Anstoß, sich mit der NS-Zeit in Telgte auseinanderzusetzen, kam von außen! Die Körberstiftung in Hamburg, die den von Gustav Heinemann initiierten Wettbewerb »Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten« betreut, schrieb 1980 alle Schulen an und lud sie ein, zu dem Thema »Alltag im Nationalsozialismus« auf lokaler Ebene zu forschen. Das Echo war groß. Zu keinem Thema gingen je mehr Beiträge ein.
Auch in Telgte waren die 12 Jahre der NS-Herrschaft mit dem Mantel des Schweigens zugedeckt. Das Heimatbuch »TeIgte, Chronik einer Stadt« (1974) blendet dieses Kapitel ganz aus. Zwei Schüler der Realschule, Gregor Rüter und Rainer Westhoff, machten sich auf zur Spurensuche nach dem Leben und Schicksal der Telgter Juden während dieser Zeit.
Der Großvater von Rainer, Heinrich Klömmer, war bis zur zwangsweisen Schließung des Betriebes der Brüder Auerbach 1938 dort angestellt. Seine Großmutter lebte noch und konnte ihnen viel aus erster Hand berichten. Sie hatte auch manchen Tipp, wen sie ebenfalls befragen konnten. So kamen etwa 25 Interviews zusammen mit den Aussagen von verschiedenen Zeitzeugen. Ehemalige Nazis waren nicht darunter, leider.
Im Stadtarchiv wartete ein reichlicher Aktenbestand zum Thema auf wissbegierige Forscher. Auch die lokalen Zeitungen waren komplett in Sammelbänden und eine reiche Fundgrube. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung unterstützten die Schüler in allen Belangen: sie kopierten die Quellen, druckten die Texte und übernahmen das Binden der Arbeit.
Die lokale Presse nahm lebhaften Anteil an neuen Erkenntnissen. So erregte die Nachricht die Öffentlichkeit, dass die ehemalige Synagoge ( bis 1875) noch unversehrt und in Resten der Ausmalung erkennbar, die Zeiten überlebt hatte, verborgen im Hinterhof des Hauses der Familie Jakob Auerbach.
So entstand in dem halben Jahr bis Februar 1981 die 116 Seiten umfassende Dokumentation. Sie wurde mit einem zweiten Preis ausgezeichnet und 1985 von der Stadt Telgte als Buch herausgegeben.
1981 stellten die Schüler mit ihrem Lehrer Ludwig Rüter an die Stadt den Antrag, am Standort der zerstörten Synagoge eine Gedenktafel anzubringen. Der Rat der Stadt stimmte zu, und Bürgermeister Karthaus und Stadtdirktor Melchers enthüllten diese Tafel im Herbst 1981.