In diesem Jahr feiert der Verein „Erinnerung und Mahnung Telgte“ sein 25jähriges Bestehen.
Dieses Jubiläum fällt mit einem besonderen Ereignis zusammen: Im September 2023 wurde die Restaurierung der „Alten Synagoge“ in der Emsstraße abgeschlossen. Das Gebäude ist nun im Rahmen von Führungen für die Öffentlichkeit zugänglich.
Beide Ereignisse möchten wir mit einer besonderen Veranstaltung feiern: Dafür konnten wir das Ensemble „mendels töchter“ gewinnen, das sich seit vielen Jahren dem Erbe des deutsch-amerikanischen Synagogenmusikers Erich Mendel / Eric Mandell widmet. Die Musikerinnen halten damit das Gedächtnis an einen jüdischen Kantor wach, der aus Gronau stammte und von 1922 bis 1939 in Bochum wirkte. Nach seiner erzwungenen Emigration in die USA wirkte er als Chordirektor an der Har-Zion-Synagoge und als Leiter der Kantorenausbildung am Gratz-College in Philadelphia. Er trug eine der weltweit größten Sammlungen synagogaler Musik zusammen.
Die Musikerinnen stellen in wechselnden Besetzungen die Werke Erich Mendels / Eric Mandells vor, dazu Musik, die sie – inspiriert von seinen Melodien – selbst geschaffen haben. – Pfarrer em. Dr. Manfred Keller, Biograph von Mendel / Mandell, moderiert das Konzert und gibt Einblicke in Leben und Werk dieses bedeutenden Vertreters synagogaler Musik.
Wir danken der Evangelischen Gemeinde Telgte, dass wir die Veranstaltung in der Evangelischen Petruskirche Telgte durchführen dürfen.
Der Eintritt ist frei, am Ausgang wird um eine Spende zur Deckung der Unkosten gebeten.
Mittwoch, 13.11.2024, 17.00 Uhr Aula des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums Zur Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 laden der Verein Erinnerung und Mahnung und das Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium zu einer Gedenkstunde ein. Schülerinnen und Schüler gestalten Erinnerungskultur; sie lesen Gedichte von Selma Merbaum und Rose Ausländer. Ein Instrumentalensemble spielt Werke von Srul Irving Glick und John Williams. Das Grußwort spricht Herr Bürgermeister Wolfgang Pieper.
Am Sonntag, den 15.09.2024 lädt der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte in Zusammenarbeit mit dem Museum RELíGIO zu einem Tag der offenen Tür an der Alten Synagoge (Emsstraße 4) ein. Das Gebäude diente von 1700 bis 1875 als Synagoge, später in Teilen als koscheres Schlachthaus. Damit ist es ein einzigartiges Zeugnis für das Leben der jüdischen Minderheit. Zwischen 14.30 und 16.30 werden in halbstündigen Abständen Führungen angeboten. Vor der Synagoge stehen Kaffee und Kuchen bereit. Um eine Spende für die Vereinsarbeit wird gebeten. Die Veranstaltung kann nur bei trockenem Wetter stattfinden.
Tag der offenen Tür an der Alten Synagoge Telgte Zahlreiche Besucher folgten am vergangenen Sonntag, 15. September 2024, der Einladung des Vereins Erinnerung und Mahnung und des Museum RELíGIO zu einem Tag der offenen Tür an der Alten Synagoge in der Emsstraße. Bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen kamen sie mit dem Vereinsvorstand ins Gespräch und konnten das Fachwerkgebäude im Rahmen einer Führung kennen lernen.
Den ganzen Nachmittag über nutzten Telgter, aber auch Besucher aus Warendorf und Münster die Gelegenheit, etwas mehr über die Alte Synagoge zu erfahren. Errichtet wurde das kleine Fachwerkgebäude um 1500. Damit ist es das zweitälteste Gebäude Telgtes. Von 1700 an diente es der kleinen jüdischen Minderheit als Synagoge. Davon kann man noch viele Spuren erkennen: Reste des Thoraschreins, des Lesepultes, eines hölzernen Tonnengewölbes, der großen Fenster und der Treppe zur Frauenempore. Als 1875 die neue Synagoge in der Königstraße errichtet worden war, nutzten die neuen jüdischen Besitzer Teile als koscheres Schlachthaus. Auch von dieser Nutzung sind noch eindrucksvolle Spuren sichtbar. Nach dem Zwangsverkauf im Jahr 1938 wurde das Gebäude von den neuen Eigentümern als Schuppen und Werkstatt weiter verwendet. 1980 wurde seine frühere Funktion wiederentdeckt. Nach der Restaurierung ist es seit einem Jahr im Rahmen von Führungen der Öffentlichkeit zugänglich.
Als älteste noch räumlich erfahrbare Synagoge ganz Westfalens und eine der ältesten des Münsterlandes zeugt das Gebäude von mehreren hundert Jahren jüdischen Lebens in unserer Stadt. Es erinnert daran, dass ein Zusammenleben von Juden und Nichtjuden trotz aller Konflikte und Verschiedenartigkeiten möglich war. Damit ist die alte Synagoge als Gedenkort an jüdisches Leben in Telgte am vergangenen Sonntag erneut ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit gelangt.
Samstag, 27. Januar 2023, 18:00 Uhr Vortragsraum des Museums RELíGIO Telgte
Am 27.01.2024, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, hält Dr. Barbara Elkeles, Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung, im Museum ReLigio um 18.00 einen Vortrag. Im Mittelpunkt wird die alte Telgter Synagoge stehen, die seit kurzem nach umfänglicher Restaurierung im Rahmen von Führungen öffentlich zugänglich ist. Nach neuen Forschungsergebnissen der Referentin diente das kleine Fachwerkgebäude an der Emsstraße der kleinen jüdischen Gemeinschaft seit spätestens 1701 als Synagoge, bis es 1875 durch einen Neubau in der Königstraße ersetzt wurde. Im Vortrag wird die Geschichte einiger jüdischer Familien dargestellt, die z.T. über viele Generationen in Telgte in unmittelbarer Nachbarschaft der Synagoge lebten. Einige waren im 18. Jahrhundert wohlhabende Fernhändler. Es bestanden sogar familiäre Beziehungen zu einflussreichen Hofjuden und Hoffinanziers. Die Quellen geben Auskunft zum jüdischen Wirtschafts- und Alltagsleben, zu innerjüdischen Auseinandersetzungen und zu Konflikten mit der katholisch geprägten nichtjüdischen Gesellschaft. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf dem Schicksal der Familie Auerbach liegen, die als unmittelbare Nachbarn und spätere Besitzer des Gebäudes in herausragender Weise mit der Synagoge verbunden waren, das sie nach 1875 bis zu ihrer Vertreibung als Schlachthaus und Schuppen nutzten.
Anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums lud der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte jetzt zu einem besonderen Konzert ein. In der fast vollbesetzten Petruskirche präsentierte das Ensemble „mendels töchter“ Musik von Erich Mendel. Der Komponist und Musikwissenschaftler Erich Mendel, in Gronau geboren und aufgewachsen, wirkte als jüdischer Kantor von 1922 bis 1939 in der Bochumer Synagoge, bevor auch er vor der Barbarei der Nationalsozialisten flüchten musste. Die Musikerinnen ließen Mendels Werke in wechselnden Besetzungen erklingen und boten eigene Musikstücke dar, die sie inspiriert durch seine Melodien selbst geschaffen haben. Das „Adam Olam“, ein Gesang, der am Ende des Sabbatgottesdienstes steht, verkündete Zuversicht und Freude. Besonders kunstvoll und zugleich schlicht war das „Magen avot“ (Schild unserer Väter), das den Segen erbittet, innig das „Kelohenu“, das eindringlich die Unvergleichlichkeit Gottes preist. Fast überschwänglich fröhlich waren die abschließenden Gesänge und Instrumentalstücke. In seiner kenntnisreichen Moderation stellte Pfarrer em. Dr. Manfred Keller Leben und Werk des bedeutenden Synagogenmusikers dar, der nach KZ-Haft und erzwungener Emigration in die USA unter dem Namen Eric Mandell eine der weltweit größten Sammlungen synagogaler Musik zusammentrug. Mandell machte sich als Chordirektor der Har Zion Synagoge und als Leiter der Kantorenausbildung am Gratz-College in Philadelphia auch um die Musikpraxis verdient.
Die Zuhörer lauschten gebannt den Klängen des Ensembles, die zugleich fremd und vertraut wirkten und die emotional tief berührten. Durch die abwechslungsreichen Instrumentierungen mit Singstimmen, Klavier, Klarinette, Flöte, Geige, Akkordeon, Schlaginstrumenten wurde eine ungeheure Farbigkeit des Klangs erreicht. Stimmen und Instrumente verwoben sich zu einem kunstvollen Klangteppich, der die besondere Harmonik und Rhythmik dieser Musik nachdrücklich und durchweg intonationsrein wiedergab. Jubel und Freude, Zuversicht und Hoffnung fanden so ihren musikalischen Ausdruck, immer begleitet von Manfred Kellers kenntnisreichen und sensiblen Kommentaren. Es war Musik, die zu Herzen geht und die den Zuhörern eine fremde Welt erschloss, die Welt der Synagoge. Das Publikum bedankte sich mit einem langen und sehr herzlichen Beifall für dieses außergewöhnliche musikalische Ereignis.
Am 10. September 2023 wurde – mehr als vierzig Jahre nach ihrer Wiederentdeckung – die Fertigstellung der Restaurierung der Alten Synagoge mit einer Feierstunde im Rathaus begangen. Von nun an kann dieses einzigartige Zeugnis jüdischen Lebens im Rahmen von Führungen besichtigt werden.
Bürgermeister Wolfgang Pieper wies in seiner Einführung auf die Bedeutung dieses einzigartigen Denkmals hin, das die Spuren jüdischen Lebens in Telgte und Westfalen sichtbar macht. Er dankte allen, die an der schwierigen Arbeit der Rekonstruktion beteiligt waren und die die vielfältigen auftretenden Probleme mit großer Fachkenntnis und hohem Engagement begleitet haben. Er überbrachte zudem Grüße der Nachfahren der in Telgte heimischen jüdischen Familien, die in der NS-Zeit aus Deutschland vertrieben worden waren.
In einem spannenden Vortrag stellte Dr. Christian Steinmeier vom LWL-Amt für Denkmalpflege die Geschichte des Gebäudes vor. Es wurde um 1500 als Speicher erbaut und um 1740, als die Zahl jüdischer Familien in Telgte anwuchs, zur Synagoge erweitert und umgestaltet. Nach dem Bau der neuen Synagoge in der Königstrasse diente es den neuen Besitzern, der Familie Auerbach, über mehrere Generationen als Raum für das koschere Schlachten. Ziel der Restaurierung war es, die verschiedenen Funktionen und Zeitschichten sichtbar zu machen. Elemente, die an die Nutzung als Synagoge erinnern wie Reste der Ausmalung, des Tonnengewölbes, der Fenster, der Nische für den Thoraschrein, der Fundamente des Lesepultes und der Frauenempore wurden behutsam rekonstruiert.
In einer sehr persönlichen Ansprache stellte Frau Sabine Revering als Eigentümerin ihre eigene Verbundenheit mit diesem Ort dar und erinnerte an die Turbulenzen der Restaurierungsphase, in der es immer wieder zu unvorhergesehenen Ereignissen kam. Anschließend übergab sie Bürgermeister Pieper symbolisch den Schlüssel.
Dr. Barbara Elkeles als Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung bezeichnete die Eröffnung der Synagoge in ihrer Ansprache als unfassbar großes Geburtstagsgeschenk für den Verein, der in diesem Jahr sein 25jähriges Jubiläum begeht. Nach 25 Jahren sind die Vereinsziele weiter aktuell. Angesichts erschreckender Umfrageergebnisse, die im ganzen Land eine besorgniserregende breite Zustimmung zu rechtsradikalem und fremdenfeindlichem Gedankengut aufdecken, ist es umso wichtiger, das Gedächtnis an jüdisches Leben in Telgte und an die Verfolgungen der NS-Zeit weiterhin mahnend wach zu halten.
Zum Abschluss wurde durch Bürgermeister Wolfgang Pieper die Stadtplakette an Ludwig Rüter überreicht. Diese Ehrung erhielt er für seine jahrzehntelangen Verdienste um die Pflege der Erinnerung an jüdisches Leben in Telgte. Seine Entdeckung der Alten Synagoge im Jahr 1980, als er mit seinen Schülern zur jüdischen Geschichte forschte und seine Beharrlichkeit bei der Verfolgung des Ziels, dieses Zeugnis jüdischen Lebens zu erhalten und zugänglich zu machen, sind nun mit dem Abschluss der Restaurierungsarbeiten zum Ziel gekommen.
Anschließend bestand im Rahmen von Führungen anlässlich des Tages des Offenen Denkmals Gelegenheit, die Synagoge zu besichtigen. Der Verein Erinnerung und Mahnung wird für Mitglieder, Freunde und Interessierte Führungen anbieten und ist auch weiterhin in die Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes einbezogen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genügte das alte Gebäude den Ansprüchen der Gemeinde nicht mehr. Es war zu klein, zunehmend baufällig und nur schwer zugänglich. Jakob Auerbach als Synagogenvorsteher schlug in einem Brief an die Gemeindemitglieder im Jahre 1866 vor, „zur Ehre Gottes und zum Wohle der Gemeinde eine neue Synagoge zu bauen, für nachkommende Generationen Zeugnis ablegend, dass Brudersinn und tätige Bruderliebe eine Wahrheit in Israel sind.“ Finanziert wurde der Neubau durch einen Fonds aus dem Verkauf des alten Schulhauses und der alten Synagoge aber auch durch einen Spendenaufruf bei den Juden der Provinz Westfalen.
Es handelte sich um einen Backsteinbau mit einem rechteckigen Grundriss mit ca. 73 m² Grundfläche. Mit seiner durch Säulen, Rundfenster und Gesimsbänder geschmückten Giebelfront und einem von einem Davidstern bekrönten Türmchen wirkte der Bau funktional schlicht aber durchaus repräsentativ. Auf maurische Stilelemente hatte man dagegen, wie bei den meisten Landsynagogen des späten 19. Jahrhunderts, verzichtet. Der Betsaal war weiß gekalkt, Buntglasfenster und ein Kristallleuchter verliehen dem Raum einen festlichen Charakter. Der Türsturz trug die hebräische Inschrift: „Mein Haus ist ein Bethaus für alle Völker.“ Das Gebäude beherbergte außerdem die jüdische Schule und eine Lehrerwohnung.
Die neue Synagoge wurde am 5. September 1875 feierlich ihrer Bestimmung übergeben. Für die religiöse Zeremonie hatte man einen der bekanntesten Prediger des Reformjudentums, Salomon Blumenau aus Bielefeld, gewonnen. An den Feierlichkeiten nahmen trotz Widerstands seitens der Geistlichen der Landrat, der Bürgermeister und der Magistrat sowie die Stadtverordneten und zahlreiche Bürger teil.
Das Gebäude wurde während der Novemberprogrome komplett zerstört und gebrandschatzt. Überliefert sind nur die Grundrisszeichnungen sowie einige Abbildungen, auf denen das Türmchen mit dem Davidstern erkennbar ist.