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Informationstafeln vor der Alten Synagoge Telgte

Feierstunde zur Übergabe an die Öffentlichkeit am 6. Juli 2025

In einer gut besuch­ten Feierstunde konn­ten am 6. Juli 2025 drei Informationstafeln vor der Alten Synagoge Telgte der Öffentlichkeit über­ge­ben wer­den. Sie erläu­tern und illus­trie­ren die wech­sel­haf­te Geschichte des Gebäudes und infor­mie­ren über 400 Jahre jüdi­sches Leben in unse­rer Stadt. Der Verein Erinnerung und Mahnung konn­te die­ses Projekt durch eine Spende der Sparkasse Münsterland Ost sowie eine gro­ße Spendenbereitschaft der Vereinsmitglieder und der Bevölkerung rea­li­sie­ren, für die an die­ser Stelle noch ein­mal herz­lich gedankt sei.


Efraim Yehoud-Desel, Rabbiner und Kantor, und sei­ne Tochter Elinoah umrahm­ten die Feierstunde mit syn­ago­ga­len Gesängen. Gebannt tauch­ten die Zuhörer wäh­rend ihres Vortrages in die Atmosphäre des Raumes ein, der fast 200 Jahre lang Ort der gemein­sa­men Gebete und Gottesdienste der jüdi­schen Gemeinschaft war.


Bürgermeister Wolfgang Pieper erin­ner­te in einem bewe­gen­den Grußwort dar­an, wie wich­tig es ist, die Erinnerungskultur leben­dig zu hal­ten, und die Synagoge als Denkanstoß und Mahnmal zu nut­zen. Dr. Barbara Elkeles als Vorsitzende des Vereins Erinnerung und Mahnung stell­te die Geschichte die­ses bedeut­sa­men Gebäudes dar und berich­te­te über das jahr­hun­der­te­lan­ge Zusammenleben der jüdi­schen Bevölkerung mit der Stadtgesellschaft, des­sen Modalitäten immer wie­der neu aus­ge­han­delt wer­den muss­ten. Sie erläu­ter­te an Beispiele, wie Konflikte gelöst und Kompromisse erar­bei­tet wur­den und wie sich Ende des 19. Jahrhunderts Stadtverwaltung und Teile der Bevölkerung öffent­lich mit der jüdi­schen Gemeinschaft soli­da­ri­sier­ten und von anti­se­mi­ti­schen Tendenzen distanzierten.


Auch heu­te ist es wich­tig, Zeichen für Demokratie, Mitmenschlichkeit, bür­ger­schaft­li­ches Engagement und Völkerverständigung zu set­zen. Dazu sol­len die Tafeln bei­tra­gen, indem sie in zen­tra­ler Lage mit­ten in Telgte auf die Synagoge und das jüdi­sche Leben bis hin zu sei­nem gewalt­sa­men Ende in der NS-Zeit hinweisen.

Feierstunde vor der Alten Synagoge: drei Informationsstelen werden der Öffentlichkeit übergeben.

6. Juli um 15:00 Uhr

Am Sonntag, 6. Juli 2025 um 15.00 wer­den in einer klei­nen Feierstunde drei Informationsstelen vor der Alten Synagoge in Telgte (Emsstraße 4) der Öffentlichkeit über­ge­ben. Der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte konn­te die­ses Projekt durch eine Spende der Sparkassenstiftung in Höhe von 3000 € sowie durch eine über­wäl­ti­gen­de Spendenbereitschaft der Vereinsmitglieder und der Bevölkerung rea­li­sie­ren.
Die Tafeln machen die Geschichte die­ses ein­zig­ar­ti­gen Gebäudes sicht­bar und nach­voll­zieh­bar und erin­nern an die jüdi­sche Bevölkerung Telgtes, die eng mit der ehe­ma­li­gen Synagoge ver­bun­den ist. Gerade jetzt, wo men­schen­ver­ach­ten­de und demo­kra­tie­feind­li­che Ideologien lau­ter wer­den, anti­se­mi­ti­sche Strömungen an Kraft gewin­nen und der Friede zuneh­mend bedroht ist, ist es beson­ders wich­tig, das jahr­hun­dert­lan­ge Zusammenleben der jüdi­schen und nicht­jü­di­schen Bevölkerung in unse­rer Stadt sicht­bar zu machen und mah­nend an die Auslöschung jüdi­schen Lebens durch die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Verfolgung zu erin­nern.
Rabbiner Efraim Yehoud Desel wird die Feier mit syn­ago­ga­len Gesängen umrah­men, um in wür­de­vol­ler und beson­ders ein­drück­li­cher Weise an die Bedeutung die­ses Gebäudes zu erin­nern und die Teilnehmer in die jüdi­sche Religion und Kultur ein­zu­füh­ren. Für Sitzgelegenheiten wird gesorgt.
Eine hal­be Stunde vor Beginn sowie im Anschluss an die Veranstaltung wird eine Führung durch die Synagoge angeboten.

Neue Synagoge in der Königstraße

In der zwei­ten Hälfte des 19. Jahrhunderts genüg­te das alte Gebäude den Ansprüchen der Gemeinde nicht mehr. Es war zu klein, zuneh­mend bau­fäl­lig und nur schwer zugäng­lich. Jakob Auerbach als Synagogenvorsteher schlug in einem Brief an die Gemeindemitglieder im Jahre 1866 vor, „zur Ehre Gottes und zum Wohle der Gemeinde eine neue Synagoge zu bau­en, für nach­kom­men­de Generationen Zeugnis able­gend, dass Brudersinn und täti­ge Bruderliebe eine Wahrheit in Israel sind.“ Finanziert wur­de der Neubau durch einen Fonds aus dem Verkauf des alten Schulhauses und der alten Synagoge aber auch durch einen Spendenaufruf bei den Juden der Provinz Westfalen.

Blick auf den Turm der Synagoge
Telgte, Königsstraße
Blick auf den Turm der Synagoge (Stadtarchiv Telgte)
Neue Synagoge, Bauzeichnung 1875
Neue Synagoge, Bauzeichnung 1875 (Stadtarchiv Telgte)
A. Petermann: Aquarell, Privatbesitz
A. Petermann: Aquarell, Privatbesitz


Es han­del­te sich um einen Backsteinbau mit einem recht­ecki­gen Grundriss mit ca. 73 m² Grundfläche. Mit sei­ner durch Säulen, Rundfenster und Gesimsbänder geschmück­ten Giebelfront und einem von einem Davidstern bekrön­ten Türmchen wirk­te der Bau funk­tio­nal schlicht aber durch­aus reprä­sen­ta­tiv. Auf mau­ri­sche Stilelemente hat­te man dage­gen, wie bei den meis­ten Landsynagogen des spä­ten 19. Jahrhunderts, ver­zich­tet. Der Betsaal war weiß gekalkt, Buntglasfenster und ein Kristallleuchter ver­lie­hen dem Raum einen fest­li­chen Charakter. Der Türsturz trug die hebräi­sche Inschrift: „Mein Haus ist ein Bethaus für alle Völker.“ Das Gebäude beher­berg­te außer­dem die jüdi­sche Schule und eine Lehrerwohnung.

Die neue Synagoge wur­de am 5. September 1875 fei­er­lich ihrer Bestimmung über­ge­ben. Für die reli­giö­se Zeremonie hat­te man einen der bekann­tes­ten Prediger des Reformjudentums, Salomon Blumenau aus Bielefeld, gewon­nen. An den Feierlichkeiten nah­men trotz Widerstands sei­tens der Geistlichen der Landrat, der Bürgermeister und der Magistrat sowie die Stadtverordneten und zahl­rei­che Bürger teil.

Das Gebäude wur­de wäh­rend der Novemberprogrome kom­plett zer­stört und gebrand­schatzt. Überliefert sind nur die Grundrisszeichnungen sowie eini­ge Abbildungen, auf denen das Türmchen mit dem Davidstern erkenn­bar ist.

Text aus Israelitische Wochenschrift

Alte Synagoge Telgte (c) K. Rüter

Alte Synagoge in Telgte

Etwas ver­steckt zwi­schen zwei Grundstücken steht in Telgte inmit­ten der Historischen Altstadt mit der Alten Synagoge ein ein­zig­ar­ti­ges kul­tur­ge­schicht­li­ches Zeugnis, eine von ganz weni­gen noch erhal­te­nen ehe­ma­li­gen Hof-Synagogen Westfalens.

Eröffnung der Alten Synagoge am 10.9.2023

Alte Synagoge Telgte
Foto © K. Rüter

Innerstädtisches Wirtschaftsgebäude
Unmittelbar nach dem Stadtbrand von 1499 ent­stand in einem von Marktplatz, Ems- und Steinstraße gesäum­ten Baublock auf einer Grundfläche von etwa 24 m² ein zwei­ge­schos­si­ger Speicher mit hoch auf­ra­gen­dem Satteldach. Das klei­ne Fachwerkgebäude zählt zu einem Gebäudetypus, der heu­te in his­to­ri­schen Stadtkernen Westfalens kaum noch zu fin­den ist.

Foto © K. Rüter

Vom Speicher zur Snagoge
Seit der ers­ten Hälfte des 18. Jahrhunderts nutz­ten die in Telgte ansäs­si­gen jüdi­schen Familien den klei­nen Speicher, der heu­te als Alte Synagoge bezeich­net wird, für den Gottesdienst. Für die Umnutzung des Gebäudes spra­chen zum einen die Eigentumsverhältnisse, denn rings­um befan­den sich meh­re­re Häuser in jüdi­schem Besitz, zum ande­ren auch die ver­steck­te Lage, da der Gottesdienst nach den Bestimmungen der fürst­bi­schöf­li­chen Judenordnung von 1662 nur im Verborgenen statt­fin­den durfte.

Die not­wen­di­gen bau­li­chen Veränderungen nahm man mit ein­fachs­ten Mitteln vor: Das Gebäude wur­de in der bestehen­den Konstruktionsform um etwa drei Meter ver­län­gert und ver­füg­te nun über eine Grundfläche von ca. 38 m²; die Zwischendecke wur­de ent­fernt, der neu geschaf­fe­ne Gebetsraum erhielt ein fla­ches höl­zer­nes Tonnengewölbe und eine Frauenempore mit sepa­ra­tem Eingang. Der Thoraschrein fand in einer nach außen gestülp­ten Nische Platz, das Lesepult (Bima) im Zentrum des durch vier gro­ße Fenster belich­te­ten und mit einer ein­heit­li­chen Farbfassung ver­se­hen Raumes. Heute ist die­ser in sei­nen wesent­li­chen Bestandteilen über­lie­fer­te Bau die ältes­te im Inneren noch räum­lich erfahr­ba­re Synagoge Westfalens.

Foto © K. Rüter

Vom Schlachthaus zum Abstellraum
Der klei­ne Bau dien­te bis zur Eröffnung der neu­en, nun öffent­lich sicht­ba­ren Synagoge an der Königstraße im Jahr 1875 als Gebets- und Versammlungsraum. Der ehe­ma­li­ge Speicher blieb in jüdi­schem Besitz und wur­de fort­an als kosche­res Schlachthaus genutzt.
Der Bau wur­de wäh­rend der Novemberprogrome 1938 nicht zer­stört.
Ende November 1939 muss­te der letz­te jüdi­sche Besitzer Jakob Auerbach sei­nen gesam­ten Grund- und Hausbesitz auf­ge­ben.
Das Gebäude wur­de fort­an als Abstellraum genutzt und ver­fiel zuneh­mend. Das schad­haf­te Satteldach war 1965 gegen ein ein­fa­ches Pultdach ersetzt und eine neue Zwischendecke ein­ge­baut worden.

Foto © K. Rüter

Wiederentdeckung, Konservierung und Restaurierung
Als sich Anfang der 1980er-Jahre Schüler der ört­li­chen Realschule mit der Geschichte der jüdi­schen Bevölkerung Telgtes zwi­schen 1933 und 1945 befass­ten, rück­te auch die Alte Synagoge ins Blickfeld der Öffentlichkeit und das Gebäude wur­de 1992 in die städ­ti­sche Denkmalliste auf­ge­nom­men.
Es soll­ten jedoch noch drei Jahrzehnte ver­ge­hen, bis mit der Instandsetzung des mitt­ler­wei­le in vie­len Bereichen gefähr­de­ten Baus begon­nen wur­de. Mit Unterstützung
des Bundes, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Kreises Warendorf, der Stadt Telgte und des LWL hat die heu­ti­ge Eigentümerin in den Jahren 2022 und 2023 behut­sa­me Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten durch­füh­ren las­sen. Hierbei wur­den die ver­schie­de­nen Bauphasen respek­tiert, sodass die Veränderungsgeschichte vom Speicher bis zum Abstellraum ables­bar bleibt. Gleichwohl konn­te die Zeitschicht „Synagoge“ anschau­li­cher gemacht werden.

Der Text entstammt (mit geringfügigen Änderungen) einer Vorlage von Dr. Christian Steinmeier.

Flyer Alte Synagoge Telgte als PDF-Download

alte Synagoge, Telgte

Frühe Geschichte

Im Jahre 1539 taucht zum ers­ten Mal in den Quellen mit Smuel der Name eines Juden auf, der gegen einen Jahrestribut von fünf Goldgulden Wohnrecht erhal­ten hat, um dort »sei­nen uprich­ti­gen Handel zu trei­ben«. 15 Jahre spä­ter gewährt der Rat der Stadt dem aus Münster aus­ge­wie­se­nen Salomon von Wasungen mit sei­ner gro­ßen Familie das Recht in Telgte zu wohnen.

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1942: SA-Aufmarsch in Telgte

NS-Zeit

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die jüdi­sche Gemeinde auf 31 Personen geschrumpft. Im Jahre 1933 leb­ten in Telgte noch vier jüdi­sche Familien mit 17 Personen. Die drei Familien Auerbach waren Metzger und Viehhändler. Die »Gebrüder Auerbach«, Max, Hermann und Moritz, betrie­ben ein weit ver­zweig­tes Viehhandelsgeschäft mit einer Agentur am Essener Großmarkt.

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