Monate: Oktober 2022

Vortrag: Erinnerungsarbeit als Friedensdienst. Ein Jahr im Jewish Museum London – ein Erfahrungsbericht

Mittwoch 09.11.2022, 19:00 Uhr
Referentin: Lotta Aldenborg
Vortragsraum des Museum Religio, Herrenstraße 1–2, 48291 Telgte

Der Verein „Erinnerung und Mahnung Telgte“ lädt anläß­lich des 84. Gedenktages der reichs­wei­ten Novemberpogrome zu einer Veranstaltung ein.

Ein Jahr lang leis­te­te die Referentin nach dem Abitur Freiwilligendienst bei der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.“ Dabei wur­de sie u.a. von unse­rem Verein unter­stützt. Einsatzort war das Jüdische Museum in London. Sie hat dort u.a. orksWhops für Schulklassen ver­schie­de­nen Alters abge­hal­ten, bei denen Überlebende der Kindertransporte über ihre Erlebnisse berich­te­ten. Andere Workshops befass­ten sich anhand der Geschichte von Holocaust-Überlebenden mit dem Umgang mit Verlust und Trauer. Weitere Projekte dien­ten dazu, die Vielfalt des Judentums abzu­bil­den. Dazu gehör­te z.B. der Besuch jüdi­scher Wohnviertel, die Arbeit mit ortho­do­xen Schulklassen und die Erforschung der Bedeutung von Museumsobjekten gemein­sam mit den Bewohnern jüdi­scher Altenheime. Die Betreuung von Kinder- und Familientagen mit Bastelaktionen erwei­ter­ten das Spektrum eben­so wie das gemein­sa­me Backen des tra­di­tio­nel­len, der „Challah“, des jüdi­schen Zopfbrotes.

Restaurierung des Grabsteins von Hanns Josef Geisel

Hanns Josef Geisel (geb. 8. Februar 1904, Bocholt, gest. 8. September 1940, Amelsbüren) stamm­te aus einer jüdi­schen Familie, die zunächst in Bocholt eine mecha­ni­sche Weberei betrieb. Später besaß der Vater ein Hutgeschäft in Dortmund. Hanns Geisel war bei unein­ge­schränk­ter geis­ti­ger Leistungsfähigkeit kör­per­lich schwerst behin­dert. Zwischen dem 6. Juli 1937 und dem 6. September 1939 wur­de er im St. Rochus-Hospital in Telgte betreut. Zu die­sem Zeitpunkt war sein Vater bereits ver­stor­ben und sei­ne Mutter berei­te­te ihre Emigration nach London vor. Ein Bruder der Mutter über­nahm die Pflegschaft und küm­mer­te sich lie­be­voll um den Neffen.
Als Teile des St. Rochus-Hospitals in ein Lazarett der Wehrmacht umge­wan­delt wur­den, muss­te Hanns Geisel in das von den Alexianerbrüdern geführ­te Haus Kannen in Amelsbüren umzie­hen. Im September 1940 soll­te er auf Befehl des Reichsinnenministeriums des Inneren gemein­sam mit fünf ande­ren jüdi­schen Patienten aus dem St. Rochus-Hospital und aus Haus Kannen im Rahmen der Aktion T4 über Zwischenstationen in eine Tötungsanstalt ver­legt wer­den, wo die Patienten in den Gaskammern qual­voll ermor­det wur­den. Hanns Geisel ent­ging die­sem Schicksal nur, weil er weni­ge Tage vor dem Transport an einer Lungenentzündung eines natür­li­chen Todes starb.

Hanns Josef Geisel GrabsteinHanns Josef Geisel Grabstein
Er wur­de auf dem Jüdischen Teil des Hauptfriedhofs Dortmund am Rennweg begra­ben. Sein Grab ist bis heu­te erhal­ten (D 002 b 43), befand sich aller­dings in einem schlech­ten Zustand. Im Herbst 2022 wur­de auf Veranlassung des Vereins Erinnerung und Mahnung das Grab her­ge­rich­tet und der Grabstein restau­riert, um auch Hanns Josef Geisel ein wür­de­vol­les Gedächtnis zu bewahren.