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Nationaler Gedenktag am 27. Januar 2021

Den Opfern eine Stimme und eine indi­vi­du­el­le Biographie geben 

Gemeinsames Gedenken des Vereins Erinnerung und Mahnung Telgte und des St. Rochus-Hospitals zum natio­na­len Gedenktag am 27. Januar 2021 

Vor gut 25 Jahren erklär­te der dama­li­ge Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar, das Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, zum natio­na­len Tag des Gedenkens an die Opfer der Nationalsozialismus. Erinnert wird an die­sem Tag an die Ermordung der euro­päi­schen Juden, aber auch an die Opfer unter den Sinti und Roma, den Geistig Behinderten und psy­chisch Kranken, den Homosexuellen, den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen sowie den aus poli­ti­schen Gründen Verfolgten. Mit Blick auf die jüdi­schen Opfer erhält der Tag im Jahr 2021 eine außer­or­dent­lich Bedeutung: Denn es ist ein bedeut­sa­mes Jubiläumsjahr, in dem an 1700 Jahre jüdi­schen Lebens in Deutschland erin­nert wird. Vor dem Hintergrund die­ser lan­gen gemein­sa­men Geschichte wird der Zivilisationsbruch der Judenverfolgung auf ganz beson­ders prä­gnan­te und erschüt­tern­de Weise erlebbar. 

Opfergendenktag telgte

Der Verein Erinnerung und Mahnung Telgte und das St. Rochus Hospital neh­men die­sen Tag zum Anlass, an die Telgter Opfer der Nationalsozialismus zu erin­nern, auch wenn eine ursprüng­lich geplan­te Gedenkfeier auf­grund der not­wen­di­gen Kontaktbeschränkungen nicht statt­fin­den kann. 

Auch in Telgte leb­ten ca. vier­hun­dert Jahre lang jüdi­sche Familien, oft über meh­re­re Generationen. Von den jüdi­schen Mitbürgern, die Ende der 1930er Jahre noch in Telgte wohn­ten, konn­ten nur vier Personen emi­grie­ren, neun kamen in den Ghettos und Vernichtungslagern ums Leben. Auch meh­re­re jüdi­sche Patientinnen des St. Rochus-Hospitals wur­den Opfer der Verfolgung. Wir ken­nen ihre Namen und ihre Geschichte und kön­nen sie auf die­se Weise aus der unvor­stell­ba­ren anony­men Masse der Opfer her­vor­ho­len: Gladys Strauss, Julie Löwenstein, Sophia Serphos. 

Julie Löwenstein, die aus Rietberg stamm­te, und ihre Mitpatientin Gladys Strauss wur­den am 21. September 1940 auf Anordnung des Reichsinnenministeriums aus dem St. Rochus-Hospital in die Landesheil- und Pflegeanstalt Wunstorf ver­bracht und von dort aus nach weni­gen Tagen in die Tötungsanstalt Brandenburg/Havel wei­ter trans­por­tiert, wo sie kurz dar­auf durch Gas ermor­det wur­den. Sophia Serphos, die aus der nie­der­län­di­schen Grenzregion stamm­te, wur­de am 07.01.1941 zunächst in eine Heilanstalt in Einthoven ver­legt und von dort aus trotz des ver­zwei­fel­ten Widerstandes der dor­ti­gen Ärzte 1944 über das Lager Westerbork nach Auschwitz depor­tiert, wo sie am 26. März 1944 ermor­det wurde. 

Diese drei Schicksale ste­hen stell­ver­tre­tend für die zahl­lo­sen Opfer der Nationalsozialismus, sie sind exem­pla­risch für unge­zähl­te ande­re. Die Erinnerung an ihre Leiden ver­leiht den Opfern eine Stimme, ein Gesicht, eine indi­vi­du­el­le Biographie. Und sie soll auch dazu die­nen, sie in die Erinnerungskultur der Telgter Stadtgesellschaft und des St. Rochus-Hospitals zu inte­grie­ren. Sie ist auch als Aufruf gegen Intoleranz, Ausgrenzung und Diskriminierung zu verstehen.